Weltuntergang
        die   Offenbarung  des   Johannes

Übersicht

In welchem Zusammenhang ist die Apokalypse des Johannes zu verstehen?

Auf dieser Seite wird begründet, warum nebst dem zeitlichen und kulturellen Umfeld auch die tatsächliche Schau einer geistigen Wirklichkeit zum Zusammenhang der Offenbarung hinzu genommen werden muss.




Zusammenhänge

Selbstverständlich steht ein Text von der Dichte und dem Reichtum der Apokalypse nicht unabhängig da. Er bezieht viele seiner Impulse und Absichten aus dem Umfeld, in dem er geschrieben wurde.
Das darf aber nicht so verstanden werden, als ob Johannes die Motive und Bilder bloss übernommen und redaktionell zusammengestellt hätte. Selbst wenn in der Apokalypse verwandte Motive wie beispielsweise im Buch Daniel oder Ezechiel auftauchen, stehen sie doch in anderen Zusammenhängen oder fallen bei genauerer Analyse deutlich verschieden aus. (Zum Vergleich ähnlicher Stellen sei auf die kleine Synopse auf dieser Seite verwiesen.)

Die Vier Tiere der Apokalypse werden herkömmlich mit den vier Tieren des Ezechiels gleichgesetzt. Hier in der Ausgabe des Beatus-Kommentares zur Apokalypse aus dem 10. Jahrhundert. Morgan-Beatus, Folio 174v, Pierpont Morgan Library, New York.

Johannes schildert den Zustand, in dem er die Offenbarung erhält als im Geiste entrückt. An diesem Selbstverständis des Johannes kommt eine Deutung der Apokalypse, die es mit diesem Text ernsthaft aufnehmen will, nicht vorbei. Sie wird davon ausgehen, dass ein Zustand im Geiste möglich ist und dass die Wirklichkeit Gottes im Geiste geschaut werden kann.

Wir dürfen darum für die bildgewaltigen Visionen der Apokalypse eine doppelte Herkunft in Betracht ziehen, nämlich den Einfluss aus dem zeitlichen und kulturellen Umfeld des Johannes sowie die Schau realer geistiger Inhalte. Von letzterem auszugehen, ist dem heutigen Verständnis äusserst fremd.
Lassen wir allerdings diese Möglichkeit als Quelle der Apokalypse aus, können die Fragen nicht gelöst werden, sondern müssen in andere Bereiche der theologischen und religionswissenschaftlichen Diskussion und des Glaubens verlagert werden. Hier sind drei verschiedene Ansätze beschrieben, die den Schwierigkeiten der Apokalypse unter Auslassung geistiger Wirklichkeit beikommen wollen, die aber in Wirklichkeit die Diskussion nur verlagern:


  • Kopieren und Redigieren

    Oft werden Motive apokalyptischer Visionen in älteren Zeugnissen (Texten, Darstellungen) gesucht und verglichen, sei dies in Texten des Alten Testamentes oder etwa in Überlieferungen altbabylonischer Vorstellungen.

    Hat Johannes viele Teile seines Werkes aus bereits vorliegenden Traditionen und Kulturen gesammelt und redaktionell Überarbeitet? Hat Johannes kopiert?
    Werbung für Xerox 4000: 1970 stellte Xerox auch das erste Faxgerät der zweiten Generation mit Duplexfunktion vor.

    Die Rückführung der Motive auf ältere Zeugnisse muss dann klären, wie jene älteren Zeugnisse ihrerseits zu ihren Motiven gekommen sind. Die Frage wie solche Motive in eine Kultur eingegangen sind, wird nur in eine noch fernere Vergangenheit verlegt und nicht beantwortet.
    (Leider liegt dieser Ansatz vielen historisch-kritischen Arbeiten zu Grunde. Elemente biblischer Texte werden in älteren Kulturen gefahndet, ohne aufzudecken, wie und woher sie in jene älteren Kulturen gekommen sind.)



  • Inwiefern ist die Offenbarung verschlüsselt?

    Oft wird davon ausgegangen, dass Johannes in bildhaften Worten eine extra verschlüssslte Mahn- und Erbauungsschrift für die Seinen geschrieben hat. Die komplexen Visionen und die geheimnisvolle bildhafte Sprache sollten für Aussenstehende unverständlich sein, da sie unter anderem die allgemein geltenden politischen und kultischen Verhältnisse im Römischen Reich kritisierten. Bei dieser Deutung stellt sich allerdings die Frage, ob eine verschlüsselte Mahn- und Erbauungsschrift nicht viel eher linear (als derart verschlungen und zyklisch wie die Apokalypse) ausgefallen wäre.

    Wie verschlüsselt ist die Offenbarung eigentlich? Wie hat sie Johannes gemeint? Wollte er mit geheimen Bildern das Ende Roms beschrieben und seinen Glaubensgenossen Mut zusprechen? Mit Bildern, die damals Römer wie Christen verstanden?

    Ausserdem muss - wenn die zeitgenössischen Texte und Berichte gnostischer Weltanschauungen und Mysterienkulte berücksichtigt werden - davon ausgegangen werden, dass weit mehr Motive aus der Apokalypse verstanden wurden, als lange angemnommen wurde. Als vollkommen unversändliche Geheimschrift wäre die Apokalypse im synkretistischen Römischen Reich nicht aufgefallen. Wahrscheinlicher ist sogar, dass römische Bürger wie angeschriebene Christen ähnliche Elemente verstanden oder aber deutungsbedürftig gefunden haben.



  • Wie Wirkt der Heilige Geist?

    Schliesslich muss auch von einem christlichen Standpunkt aus gefragt werden, welchen Sinn es überhaupt macht, von einer Wirklichkeit des Geistes abzusehen.
    [ Traditionell wird in den westlichen Kirchen der Geist als eine Gabe verstanden, die von Gott und Christus (Filioque) an Menschen geht. Die Frage einer aktiven Suche oder nach einem geistähnlichen Anteil im Menschen wurde spätestens im 4. Konzil von Konstantinopel (869 bis 870) von der westlichen katholischen Kirche verneint. (Die vom Patriarchen Photios vertretene Zwei-Seelen-Lehre, nach der dem Menschen eine höhere, unsterbliche Geist-Seele und eine irdische, vergängliche Seele eigen sind, wurde mit dem Bannfluch belegt.) Die westliche Kirche verstand sich fortan allein zuständig, den Geist in Sakramenten und in der Sukzession weiter zu geben sowie Geistwirken auszulegen (Dogmatik) und zu beurteilen (wie etwa bei Visionen von Heiligen).

    Der Heilige Geist entflammte die ersten Christen.
    Kuppelbild Heiliger Geist, Oskar Martin-Amorbach, 1934-1940, Dreifaltigkeitskirche Kappl bei Waldsassen.

    Diese Haltung stand zwar in Widerspruch zum monastischen Leben und seiner Praxis und zur Volksfrömmigkeit, die sich beispielsweise in der Gralslegende ausdrückte. Sie rief auch verschiedenen Widerspruch hervor (Kartharer, Waldenser, Jan Hus, Reformation), aber hat sich dennoch durch die Zeit erhalten und bis zur Überzeugung gefestigt, dass geistige Inhalte nicht von Laien beurteilt werden können, sondern reine Glaubensinhalte sind. Die Verunsicherung, die der moderne Mensch gegenüber der Kirklichkeit des geistes empfindet, rührt also teilweise von einer alten dogmatischen Haltung her. ]

    Sobald nämlich eine Wirklichkeit des Geistes zum geheimnisvollen Glaubensinhalt (dessen Zugang nur Auserwählten gestattet ist) erklärt und dem Verstehen des Einzelnen entzogen wird, verliert sie die Relevanz für das menschliche Leben. Die Ausklammerung geistiger Wirklichkeit liegt dann auf der Hand, und es stellt sich die Frage, wie dann die Gegenwart und Führung Christi in der Kirche, das Heilsgeschehen sowie die Nachfolge überhaupt möglich sind. Von einem christlichen Standpunkt aus, ist die Ausklammerung des Geistigen und dessen Wahrnehmung nicht möglich, ohne gleich die Wirksamkeit Gottes zu suspendieren.

Zusammenfassung und Standpunkt

Eine Deutung der Apokalypse, die von einer Möglichkeit der Geistschau absieht, rückt entweder die Wirklichkeit Gottes in die Vorstellungswelt von einzelnen Menschen oder sie bricht die Verbindung vom Menschen zu einer göttlichen Wirklichkeit ab. Eine solche Ausgangslage kann weder dem Text der Apokalypse noch dem Eigenverständnis ihres Autros gerecht werden.
Sie wird viele Aspekte von Mahnung und Erbauung hervor heben und richtige religionsgeschichtliche Zusammenhänge zum Judentum und ausserbiblischen Traditionen aufdecken, aber vor dem Versuch, den komplexen, bildhaften Visionen im Ganzen zu folgen, muss sie versagen.
Darum gehen wir im Folgenden von der doppelten Herkunft der Apokalypse aus - vom zeitlichen und kulturellen Umfeld des Johannes und von der Schau geistiger Wirklichkeit.






Das zeitliche und kulturelle Umfeld wird auf dieser Seite in folgende Bereiche unterteilt und beschrieben:

Hier unter dem Punkt "zusammenhänge" soll grundlegender nach der Verankerung der Apokalypse im Leben gefragt werden:



Notizen zu Zusammenhängen:

Das römische Reich verband verschiedene Kulturen des Orients und des Westens miteinander. Über die Strassen und mit dem Handel verbreiteten sich auch Religionsformen. Viele Motive der Apokalypse haben sind orientalisch gefärbt.


Blick auf die Via Appia

Eine der Kulturen, die zur Deutung der Apokalypse wesentlich hilft, ist das alte Babylon mit seiner Zeitrechnung und mit seinen Zahlenverhältnissen. Die babylonische Zeitrechnung und Astonomie kehrt in den Zahlenverhältnissen der Apokalypse wieder.


Akkadisches Rollsiegel (VA 243), 3. Jhrtnd. v. Chr., Vorderasiatisches Museum, Berlin; um die Sonne gruppieren sich zwölf "Planeten", welche eine der Zeitperioden darstellt, die wir heute noch gebruachen (12 Stunden).

Natürlich bestehen auch zwischen dem späten Judentum mit seinen vielen apokalypsitschen Schriften und der Apokalypse des Johannes eine tiefe Verwandtschaft. Ähnliche Erfarhungen und Absichten haben beiderorts Pate gestanden.


Philon von Alexandria (Phantasieporträt von 1584); mehr über die Quelle des Bildes finden Sie hier .

Die griechische Philosophie hat die Voraussetzungen für das Denken und die Sprache der Zeit, in der Johannes seine Apokalypse schrieb, gebildet


Kopf des Platon, römische Kopie, Glyptothek München (das Original war bald nach Platons Tod (348 v. Chr.) in der Akademie aufgestellt worden)


Die Gnosisund die Mysterienkulte sind ein hauptsächlicher Teil des Umfeldes, in dem Johannes die Apokalypse verfasst hat.


Apollon Tempel, Delphi; die Überschrift über dem Eingang zum Tempel "Gnothi seauton" (griech. Γνθι σαυτν - erkenne dich selbst) gab der Gnosis ihren Namen.

Das frühe Christentum, an welches die Apokalypse gerichtet ist, empfand sehrwahrscheinlich einige Bilder und Motive der Apokalypse noch kaum unverständlich. Paulus und die Urgemeinde erlebten viele Glaubaensinhalte noch ganz in das Wirken des Geistes eingetaucht.


Portrait des Paulus, Mosaik aus dem 5. Jahrhundert, im Oratorium St. Andrea im erzbischöflichen Museum in Ravenna






zurück wieder vornach oben