Übersicht
Diese Seite widmet sich der Person des Johannes. Wie in neutestamentlichen Schriften üblich, stellt er seine Person nicht in den Vordergrund,
und das wenige, was wir von ihm erfahren, lässt verschiedene Möglichkeiten zu.
Johannes' Person wird beleuchtet auf:
a) seine kirchliche Stellung
b) seine Autorenschaft
c) seine Einflüsse, die er verarbeitet
d) den Zeitpunkt, an dem er die Apokalypse schreibt
Johannes nennt in der Apokalypse dreimal seinen Namen (1, 4 und 9, sowie 22, 8) ohne jedoch viel zu seiner Person und kirchlichen Position zu verraten.
Sich selber bezeichnet er als Bruder der Gemeinden (1,9), an die er schreibt, oder gar als Knecht (1,4) wie sie. Dass er auf Patmos,
"um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu Willen" ist, lässt darauf schliessen, dass er vorher als Christ an die Öffentlichkeit getreten war und
deswegen auf Patmons festgehalten wurde. Wahrscheinlich ist auch, dass er wegen seines öffentlichen Wirkens in den Gemeinden bekannt war und deshalb
keiner zusätzlichen Vorstellung bedurfte.
Er nennt als kirchliche Ämter nur Propheten und Apostel. Letztere eher im Rückblick, als jene, auf deren Werk die Kirche aufbaut (Off 21, 14).
Sehrwahrscheinlich hat sich Johannes selbst zu den Propheten gezählt.
Johannes auf Patmos, Velazquez,
1618, National Gallery, London
Johannes schreibt in einer sehr lebendigen, bisweilen ungeschliffenen Sprache. Mal bedient er sich eines altertümlich anmutenden Stils, der als ein Griechisch in feierlichem hebraisierendem Ton bezeichnet werden kann; mal schreibt er in typisch griechischer Ausdrucksweise hellenistische Gedankengänge. Er scheint mit der Tradition des palästinensischen Judenchristentums ebenso vertraut wie mit dem Hintergrund der paulinisch-heidenchristlichen Gemeinden, an die er seine Schrift adressiert.
Die ältere Auslegung ging davon aus, die Offenbarung sei ebenfalls vom Evangelisten Johannes verfasst worden und dieser sei ausserdem gleichzusetzen mit
Johannes Zebedaïdes, dem Lieblingsjünger aus dem Zwölferkreis um den irdischen Jesus. (Diese Annahme machen bereits Krichenväter wie Justin,
Eusebius und Klemens von Alexandrien).
Johannes der Evangelist und Johannes. der Verfasser der Apokalypse, sind höchst wahrscheinlich zwei unterschiedliche Personen.
Oben rechts: Der Lieblingsjünger Johannes und Jesus, Ausschnitt aus dem Bild "Das letzte Abendmahl", Valentin de Boulogne, 1625-26, Galerie Nationale d'Art
Ancien, Palais Corsini. | Oben links: Tizian, 1547, Der Hl. Johannes auf Patmos, National Gallery of Art, Washington, USA.
Allerdings bezeichnet sich Johannes von Patmos weder als Apostel, noch berichtet er als Augenzeuge von Jesus. Die beiden Schriften unterscheiden sich denn auch besonders in ihrer Sprache und Denkstruktur, so dass nicht von derselben Autorenschaft ausgegangen werden kann:
Die Apokalypse gehört wohl zu den am schwierigsten deutbaren Schriften der Weltliteratur. Das hat hauptsächlich zwei Gründe, nämlich die vielen kulturellen
und religiösen Bezüge, die Johannes in seine Schrift einbezieht, und sein Anspruch, das Geschaute in einem entrückten Zustand als
übersinnliche Wirklichkeit empfangen zu haben. Die historisch-kritische Bibelauslegung läuft vielleicht manchmal Gefahr, die Apokalypse zu sehr auf die
kulturell-religiösen Bezüge zu beschränken, ja sogar ausschliesslich auf die innerbiblischen und jüdischen Zusamenhänge zu reduzieren, während oberflächliche
Deutungen all zu schnell die Apokalypse an Ereignissen der Weltgeschichte festmachen wollen und die Schrift als geschaute Wirklichkeit allzu leicht für moralische
Zwecke und ausschliessende Urteile vereinnahmen.
Einen Einblick in diese Schwierigkeit vermittelt der folgende Ausschnitt Jürgen Roloffs, Professor für Neues Testament:
"Ohne Zweifel hat Johannes als Prophet nicht nur im Geist Weisungen des erhöhten Christus empfangen,
sondern auch visionäre Schauungen gehabt. Aber, was er in seinem Buch niederschreibt, ist nicht deren gleichsam photographisch genaues Abbild. Es ist vielmehr
durch den Prozess einer am Alten Testament theologisch orientierten Interpretation und Reflexion so stark überlagert, dass Rückschlüsse auf die Inhalte
der ursprünglichen Visionen sich verbieten."
In welchem Zustand befand sich wohl Johannes, als er die Offenbarung empfieng? Illustration aus der Bamberger Apokalypse, "Der Engel mit dem Büchlein",
Folio 15 verso, um 1000, Bamberg, Staatsbibliothek, MS A. II. 42.
Wenn aber nebst dem Alten Testament auch die Kulturen und Religionen berücksichtigt werden, die das Umfeld des Johannes mitgeprägt haben, dann erschliessen sich
neue und vielleicht weiter reichende Möglichkeiten, die Apokalypse etwas zu verstehen.
Die Annahme, dass Johannes seine eigenen Visionen anhand alter Texte umgeschrieben und redaktionell überarbeitet hat, mag zum Teil sicher zutreffen. Allerdings stellt
sich die Frage, inwiefern er bereit gewesen ist, ein Ereignis, das ihn mehrmals zittern liess und ihn sich dem Tode nahe fühlen liess, mit "anderen" Bildern zu
beschreiben. Wenn wir echte visionäre Schauungen für möglich halten, dann könnte es durchaus sein, dass sich dem Johannes eine "ähnliche" Wirklichkeit offenbart hat,
wie beispielsweise dem Propheten Daniel oder Ezechiel, die gerne und oft als seine Vorlagen heran gezogen werden.
Der Zeitpunkt, zu dem Johannes die Apokalypse geschrieben hat, ist nicht leicht zu bestimmen. Als einzig eindeutiger Anhaltspunkt kommt die Beschreibung des
Kirchenvaters Irenäus in Frage. Er schreibt 180 n. Chr. in seiner Schrift Gegen die Häretiker zur Offenbarung :
"Denn nicht schon vor langer Zeit wurde sie geschaut, sondern beinahe noch in unseren Tagen, nämlich am Ende der Regierung Domitians". Das wäre im
ausgehenden ersten Jahrhundert, also um 95 n. Chr. (Domitian wurde im September 96 n. Chr. in Rom ermordet). Weshalb Irenäus allerdings eine Zeit als "beinahe
in unseren Tagen" bezeichnet, die zur Zeit der Niederschrift rund 90 Jahre zurückliegt, ist verwirrend.
Wir können daher mit Bestimmheit sagen: die Offenbarung des Johannes muss vor 180 n. Chr. geschrieben worden sein.
Und da Johannes an christliche Gemeinden in Kleinasien schreibt, muss die Apokalypse nach der Missionstätigkeit des Paulus, also etwa nach 64 n. Chr. geschrieben
worden sein.
Daraus ergibt sich ein sicheres Zeitfeld, in dem die Offenbarung geschrieben wurde.
Wahrscheinlich hatte Johannes nicht einen so angenehmen Aufenthalt auf Patmos, wie diese Darstellung vermittelt. Der Zeitpunkt seines Aufenthaltes ist
nicht genau feststellbar. Am wahrscheinlichsten sind die Jahre 95-96 n- Chr.
Miniatur aus The Cloisters Apocalypse, um 1300,
Metropolitan Museum of Art, New York.
Das Zeitfeld, in den die Apokalypse geschrieben wurde, lässst sich sicher noch etwas eingrenzen.
Zur Zeit des Paulus gab es in Smyrna noch keine Gemeinde. Mit seinem zweiten Sendschrieben richtet sich
Johannes aber an diese Gemeinde, von der er weiss, dass sie sich schon einige Zeit bewährt hat. Im letzten Sendschreiben beschreibt er die Gemeinde von
Laodizea als "reich", die zu ihrem Aufbau wahrscheinlich Zeit brauchte, nachdem ein Erdbenben um etwa 61 n. Chr. die Stadt fast vollständig zerstört hätte.
Ein weiterer Hinweis zur Datierung gibt der Aufenthaltsort, die Insel Patmos, von der aus Johannes schreibt und wo er die Visionen empfangen hat:
Die Insel war ab 3000 v. Chr. bewohnt und wurde später von den Dorern und Ioniern besiedelt. Ihre Blütezeit erreichte sie bis ins 4. Jrhd. v. Chr. Die aus dieser
Zeit stammenden Überreste eines Artemistempels, einer Akropolis mit Dionysos- und Apollontempel sowie eines Hyppodroms zeugen voneiner reichen Kultur und
Wohlstand. Zur Zeit des römischen Imperiums war die Insel aber bedeutungslos geworden und wurde als Verbannungsort für Strafgefangene benutzt.
Es darf angenommen werden, dass Johannes hier eine Strafe aussitzen musste. Wahrscheinlich wegen öffentlicher christlicher Rede, wie er selbst in 1, 9 schreibt:
"Ich, Johannes … war auf der Insel, die da heisst Patmos, um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses Jesu Christi".
Unter der späteren Regierungszeit Domitians und seines Nachfolgers Trajan war die Situation für Christen schwierig. Sie wurden - wenn sie nicht am Kaiserkult teilnahmen -
verfolgt und getötet. Während diesen Zeiten liegt es daher näher, dass Johannes wegen Verbreitung christlicher Rede festgehalten wurde. Allerdings darf man sich
fragen, weshalb ihm das Schicksal des Märthyrertodes erspart blieb. Er würde sich bestimmt nicht des Zeugnisses Jesu Christi rühmen, wenn er sich im
entscheidenden Moment zum Kaiserkult bekannt hätte.
Dieser Umstand würde dann eher auf Regierungszeiten der Kaiser Nerva, Hadrian, Antonius Pius und Mark Aurel hinweisen, da unter jenen Kaisern keine
systematische, gesamtstaatlich verordnete Christenverfolgung, sondern eher regionale Verfolgungen stattfanden, welche nicht gleich mit dem Tod bestraft wurden; oder
sie würde auf die frühen Regierungsjahre Domitians hinweisen, als er noch keine Christenverfolgungen anordnete.
Eine genaue Datierung ist daher nicht leicht zu treffen und wir dürfen uns nicht zu vagen Zahlenspielereien hinreissen lassen, wie das leider nur allzu oft auch
in historisch-kritischen Arbeiten geschieht.
(So soll sich etwa hinter der Zahl 666 in Off 13,18 der Name "Nero" verbergen, oder es soll die Passage Off 17,10, wonach der gegenwärtige
Kaiser der sechste Kaiser ist, Aufschluss geben über die Zeit, in der Johannes schrieb, ohne dass wir wissen, bei welchem Kaiser diese Zählung beginnt und ob die
Soldatenkaiser dazu gerechnet werden, oder nicht).
Johannes schrieb die Apokalypse auf der Insel Patmos, wo er sehr wahrscheinlich unter Verwahrung gehalten wurde.
Der Evangleist Johannes war - entgegen früherer Annahme - nicht der Autor der Apokalypse. Die folgende Miniatur aus dem Stundenbuch "Les Très Riches Heures" des Herzogs de Berry stellt fälschlicherweise Johannes von Patmos den Adler - das Symbol für den Evanglisten Johannes - zur Seite.
Patmos' Geschichte hat lange vor Johannes begonnen. Einen ersten Einblick in die Geschichte der Insel finden Sie hier.
Den vier Evangelisten wurden seit dem 4. Jrhd. vier geflügelte Symbole zugeordnet. Die Herkunft dieser Symbole ist sehr komplex. Sie stammt aus dem altbabylonischen Kulturkreis und taucht schliesslich in der Offenbarung des Johannes auf. Die Bedeutung der Evangelistensymbole wird auf dieser Webstie hier beleuchtet.
Johannes nennt Christus das Lamm Gottes (Agnus Dei). Es gab im frühen Christentum viele Symbole für den Sohn Gottes. Selbst das Kreuz wurde erst im 5. Jrhd. zum Symbol des Christentums.
Das römische Reich um 14. und 117 n. Chr. zur Zeit seiner grössten Ausdehnung schloss den ganzen Mittelmeerraum, Regionen des Schwarzen Meeres, West- und Mitteleuropa,
sowie die alten Kulturen Ägypten und Mesopotamien ein. So konnte innerhalb des römischen Reiches ein grosser Kulturaustausch stattfinden. Weltanschauliche und religiöse Elemente
durchmischten sich auf vielfältige Weise.
Auf dieser Website wird auf den Einfluss des römischen Reiches auf die Apokalypse eingagangen.
Die Gemeinden in den sieben Städten Kleinasiens, an welche sich Johannes mit seinen Sieben Sendschreiben wendet, waren aus der Paulusmission hervorgegangen. Die Paulusmission
stellt den erstmöglichen Zeitpunkt dar, nach dem die Apokalypse hat geschrieben werden können. Allerdings hatte Smyrna zur Zeit des Paulus noch keine Christliche Gemeinde.
Auf dieser Website wird auf die Sieben Gemeinden eingagangen.
Der Kirchenvater Irenäus datiert die Apokalypse in die letzten Regierungsjahre Domitians, also in eine Zeit systematischer Christenverfolgung. Ob dann allerdings Johannes für sein öffentliches Wirken im Namen Christi einfach auf der Insel Patmos inhaftiert gewesen und einem Märthyertod entkommen wäre, ist mehr als fraglich.
Unter welchem römischen Kaiser mag wohl wohl Johannes seine Apokalypse verfasst haben? Allgemein wird die Regierungszeit Domitians genannt. Aber eine genaue Datierung ist kaum möglich. Hier ist eine Liste der Römischen Kaiser.
Wahrscheinlich hat Johannes die Offenbarung nicht zu einer Zeit systematischer Christenverfolgung empfangen und geschrieben. Aufgrund seiner Tätigkeit wäre er wahrscheinlich den Weg eines Märthyrers gegangen. Hier ist eine Liste der Christenverfolgeungen unter Römischer Herrschaft.