Übersicht
Auf dieser Seite erhalten Sie einen kurzen Überblick über die geschichtliche Entwicklung des Gedankenlebens. Die Apoaklypse ist gedanklich gestaltet und durchdrungen und besser mit dem Seitenblick auf antike Philosophie zu verstehen.Im 7. Jahrhundert v. Chr. erwachte die griechische Philosophie und mit ihr der eigentliche Gedanke. In den Zeiten davor erklärten sich die Menschen ihre Herkunt und Natur im Mythos und in bildhaften Vorstellungen oder sie liessen sich die Zusammenhänge, in denen sie standen und den Weg, den sie vor sich hatten in rästelhaften und mythischen Bildern an den Orakeln (lat. oraculum - Götterspruch) weissagen. Das waren die Erkenntnisformen der Zeit vor der griechischen Philosophie.
Der Rundbau (Tholos) im Heiligtum der Athene zu Delphi. Weitere bedeutende antike Orakelstätten waren Ephyra, Olympia, Dodona, Klaros, Didyma und das Ammonium in der Oase Siwa. Auch die Orakel von Cumae (nähe Neapel) und ältere Orakel Ägyptens und des Orients sind bekannt. Die Etrusker brachten wohl den Brauch, für staatliche Belangen Götter zu brefagen, in die römische Kultur.
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Das griechische Denken markiert daher einen Übergang in der Menscheits-geschichte. Das Gedankenleben schwang sich zu einem eigenständigen
Wirken auf und weckte zunächst bei den sogenannten Vorsokratikern ein erstes gedankliches Durchdringen der Welt und schliesslich ein
gedankliches Zurückführen derselben auf einen Urgrund. In Sokrates, Platon und Aristoteles hingegen fand sich zunehmend der Gedanke selbst
in der Welt und als Urgrund der Welt wieder, während sich dann in den Stoikern, Epikureern und Skeptikern mehr die Unsicherheiten und
Schwierigkeiten im Umgang mit dem erwachten Gedankenleben aussprechen.
Schliesslich tritt dann im Ausgang der griechischen Philosophie, im sogenannten Neuplatonismus, die Frage auf, ob das Gedankenleben der
menschlichen Seele selbst nicht aus einer höheren, geistigen Wirlichkeit den Menschen befähigt, sich im Gedanken zu finden - oder moderner
ausgedrückt: sich selbst bewusst zu werden?
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Auf diesem Bild sind die meisten bedeutenden griechischen Philosophen, Wissenschaftler und Autoren sowie einige Nicht-Griechen vereint.
"Die Schule von Athen", Fresko von Raffael (1510), Stanza della Segnatura, Vatikan. Genauere erklärungen zu den einzelnen Darstellungen finden
Sie hier unter 12koerbe.de.
Die griechische Philosophie selbst und das Erwachen des Gedankenlebens, das sich in ihr ereignet, kann natürlich niemals auf dieser Website dargestellt werden. Unter den Anmerkungen der rechten Spalte finden Sie einige weiterführende Hinweise. Im Folgenden soll kurz die Bedeutung der griechischen Philosophie im Zusammenhang mit der Offenbarung des Johannes dargestellt werden.
Der Übergang vom mythologisch-bildhaften zu einem gedanklichen Weltbild, der sich in der griechischen Philosophie vollzieht, steht natürlich in einem gewissen Widerspruch zu der Offenbarung des Johannes, die in bildgewaltigen Visionen Undenkbares und Überirisches zum Ausdruck bringt, so dass man meinen möchte, das griechische Bestreben nach rationalem Nachdenken sei bereits im Ausgang des ersten Jahrhunderts wieder ermüdet oder habe sich ausgelaufen und vielleicht neuen Moden Platz gemacht.
War Johannes einfach des denkens müde, als er seine Offenbarung schrieb?
Der Denker (franz. Le Penseur) zählt zu den Hauptwerken des Bildhauers Auguste Rodin und entstand 1880 bis 1882. Das Original ist im Besitz des
Musée Rodin in Paris, eine Kopie steht am Grab des Künstlers in Meudon. Die Plastik hat eine Höhe von 72 cm, besteht aus Bronze, und wurde fein
patiniert und poliert. Dieses Beispiel steht in Buenos Aires, Argentinien.
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber ein deutlicher Unterschied zwischen der - sagen wir - vorphilosophischen mythologischen Anschauung und der Offenbarung des Johannes; und dieser Unterschied ist nicht ohne das Auftreten der griechischen Philosophie zu verstehen. Denn das Wesentliche der griechischen Philosophie bestand darin, das Gedankenleben auszubilden. Damit schwand allmählich die Verbundenheit mit der Natur und den Naturvorgängen, wie sie alte Kulturen noch prägten, und es entstand das Selbstbewusstsein. Während sich ein Mensch der alten Zeit noch ganz im Schosse der Naturvorgänge und der Gottheiten fühlte, entdeckte die von der griechischen Philosophie berührte Menschheit den Zauber des eigenen Denkens und Forschens.
Das Denken und Forschen konfrontiert uns Menschen auch mit unser eigenen Person und deren Grenzen.
Fotografie von Bettina Flitner zur Ausstellung "Frauen die forschen" (23. Januar bis 27. März 2011),
Frauenmuseum Wiesbaden, Deutschland.
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Johannes verfasst seine Offenbarungen darum in einem anderen Bewusstsein als die Mythologien erzählt wurden. Seine mythologisch
anmutenden Bilder
sind keine Erzählunen, mit denen er sein Welt- und Selbstverständnis zum Ausdruck bringt, sondern Visionen, die ihm ein Führer duch die
geistige Welt vermittelt und die ihn und die christlichen Gemeinden in ihrer Situation direkt ansprechen sollen.
Johannes schildert diese Visionen auch anders als etwa noch Ezechiel, der ja innerhalb der jüdischen Kultur bereits mit der
Gegenüberstellung
von Gott und Mensch vertraut war. In Ezechiels Vision erscheinen die vier Gestalten und das Wesen, das auf dem Trohn sitzt, noch als
menschen-ähnlich. Wärhend die vier Gestalten in ihrer Dynamik eingehend beschrieben werden, gibt uns der Prophet vom
"Menschanähnlichen" auf dem Trohn ein diffuses Bild.
Bei Johannes ist die Szene ruhiger. Die vier Gestalten treten fast bewegungslos auf und derjenige, der auf dem Trohn sitzt wird in klaren
Konturen umschrieben, nämlich mit Edelsteinen verglichen, so dass auffällt, wie hier bereits eine gedankliche Durchdringung des Geschauten
geschieht, die ausglättet, einteilt und die denjenigen auf dem Trohn als Eigenständige Gestalt zu isolieren vermag. Dieser Unterschied
wird von der modernen Theologie stets als redaktionelle Arbeit bezeichnet. Wahrscheinlich dürfen wir aber annehmen, dass sich hier das
erwachte Gedankenleben den Offenbarungen aus dem Geiste gegenüber gestellt hat.
Ezechiel empfängt eine Vision (hier die Vision der Totenauferstehung (Ez 37).
Sammlung der Predigten des Hl. Gregor von Nazianz, Szene: Vision des Ezechiel, Meister der Predigten des Heiligen Gregor von Nazianz,
höfische Werkstatt von Konstaninopel (Auftraggeber: Kaiser Basilius I), um 800, Pergament, Bibliothèque nationale de France MS Grc 510,
folio 438v, Paris.
Ferner markiert die erweiterte Dimension, in welcher die Offenbarung steht den Unterschied zwischen alttestamentlicher Weltgerichtsansage und der Apokalypse. Während im Alten Testament das Gericht über das Volk Israel ergeht, wird das Weltgericht bei Johannes die ganze Menschheit ergreifen. Die alte "Stammes-" und "Blut-"gemeinschaft wird aufgebrochen. Nachdem die Menschen das Denken entdeckt haben, wird klar, dass Gott zum Einzelnen nicht durch das Blut "unserer Väter" spricht und nicht nur ein Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs ist, sondern ein Gott, der die Menschen in ihrem Innern ergreift.
Bilden wir in geistigen Gedanken die materielle Aussenwelt ab? Sind unsere Gadenken das Ergebnis materieller, chemischer Prozesse? Denken wir
nur im Hirn? Ist die Aussenwelt nur Schein einer geistigen Wirklichkeit aus die sich eigentlich unsere Gedanken beziehen? Verwirrende Fragen
rund um Leib und Seele.
René Descartes' Illustration des Dualismus: Reize werden von den Sinnesorganen weitergeleitet, erreichen die Epiphyse im Gehirn und wirken dort
auf den immateriellen Geist ein.
Eine Trennung von Leib und Seele und von Welt und Gott war den alten Kulturen fremd. Diese Trennung taucht im Alten Testament erst spät auf.
So ist die Seele ursprünglich eine während dem irdischen Leben an den Körper gebundene Lebenskraft ( נפש, näphäsch - Atem) und
entwickelt sich erst in hellenistischer Zeit zu einer eigenständigen Wesenheit - unter dem Einfluss der griechischen Philosophie. Von dieser Zeit
an stellt sich die Seele als unabhängiger Teil des Menschen, der nach dem Tod weiter lebt und der manchmal auch vor der Geburt exisiert, dar.
Erst jetzt wird auch die Rede von Auferstehung - sei es eine leibliche oder rein geistige - möglich.
Diese Vorstellungen sind Voraussetzung für einige zentrale Aspekte der Offenbarung: das Leben nach dem Tod und die Auferstehung, sowie die
Verantwortung der Menschen für ihre Taten am Ende der Zeit. Andererseits erscheinen bei Johannes die Gerechten, "die Seelen (psychás) derer,
die geschlachtet worden waren" und hört sie mit lauter Stimme rufen. Hier wird die Vorstellung einer Wahrnehmungs- und Handlungsfähigkeit der
Seelen, die nach der Vernichtung ihrer Körper weiterhin leben, vorausgesetzt.
Die Gerechten loben Gott, während sich schon die Engel mit den Schalen des Zorns bereiten (Off 15, 1-5)
Ausschnitt aus der Bamberger Apokalypse, ottonische Buchmalerei um 1000, Skriptorium Kloster Reichenau, Folio 038v.
Zusammenfassend können wir als sagen: die griechische Philosophie braucht die Apokalypse des Johannes nicht direkt beeinflusst
zu haben, um für deren Verständnis Wesentliches beizutragen. Das während der griechischen Philosophiegeschichte erwachende Gedankenleben
dokuemtniert eine Entwicklung der Geschichte, in der auch Johannes steht. Die Gemeinsamkeiten lassen sich in folgenden drei Punkten
zusammenfassen: