Weltuntergang
        die   Offenbarung  des   Johannes

Übersicht



Auf dieser Seite lesen Sie über Unterschiede und Zusammenhänge zwischen der Apokalypse und den Mysterienkulten.
Sie finden hier folgende Punkte:

Es gibt zwei Gruppen von Mysterien.
Es gibt auch viele bleibende Grundelemente.
Warum die Mysterien grossen Zulauf hatten.
Ein kleiner Exkurs über den mystischen Tod.
Was an der Apokalypse mysterienhaft ist.
Worin sich die Apokalypse von Mysterien unterscheidet.

Mysterienkulte

Der Begriff Mysterium geht auf das altgriechische Wort μυειν (myein - schliessen) zurück und bezeichnet eine verschlossene Sache - etwas, was unter Verschluss ist. Mysterienkulte hielten ihre religiöse Lehren und Riten vor Aussenstehenden geheim. Allerdings in unterschiedlichem Masse. Die Aufnahme in eine solche Kultgemeinschaft erfolgt gewöhnlich durch spezielle Initiationsriten.

Initiationsriten gibt es überall auf der Welt. Diese Knaben sind während dem Riatual vor der Welt und dem Alltag verborgen. Sie werden einen Ritus erleben, der ihnen Schmerz und Widerstand abfordert und die in ein neues Leben einlädt.
Neun bis zehn Jahre alte Knaben aus dem Stamm der Malawi nehmen am Beschneidungs- und Initiationsritual teil, 21 März 2005, 21:16. Bildquelle Wikipedia.

Da die Mysterienkulte ihre Geheimnisse weitgehend gewahrt haben, lassen sich über den Inhalt ihrer Lehren und Zeremonien nicht immer klare Angaben machen. Ihre Mythen und Riten lassen sich meist nur annähernd anhand antiker Dokumente und archäologischer Funde rekonstruieren. Ein guter Teil der Dokumente finden sich in philosophischen Schriften (vgl. dazu auf dieser Website unter Berichte).

"Streng geheim und halb öffentlich

Die Antike kennt zwei Formen von Mysterienkulten: die einen waren an den Staatskult angeschlossen wie die Mysterien von Eleusis und Samothrake, an denen jeweils grosse Menschenmassen teilnahmen; daneben gab es auch Mysterien, die für kleine Gruppen bestimmt waren und sich ganz der Öffentlichkeit entzogen. Allerdings wurde den Teilnehmern aller Mysterienkulte ein Schweigegebot betreffend der Lehren und Handlungen, die während dem verschlossenen Kultus ausgeführt wurden, auferlegt.

Der Mithraskult fand in Grotten oder überwölbten Kellern in völliger Abgeschiedenheit statt. Blick in das Mithräum von Ostia.

Zu den strenger geheimen Mysterienkulten gehörten die verschiedenen Formen des Dionysoskultes, der Kult des Liber Pater in Rom und in Süditalien, der Mithraskult, der Kybele- und Attiskult, der Isis- und Osiriskult und der Orphische Kult. Wenn Sie diesen einzelnen Kulten nachgehen möchten, finden Sie rechts unter den "Notizen" die entsprechenden Links.

Grundelemente in Mysterienkulten

Allerdings können mit guter Sicherheit einige Gemeinsamkeiten von Mysterienkulten beschrieben werden:
  • Der sterbende und auferstehende Gott

    Einbalsamierung des Osiris (Dem Mythos zufolge versuchte der ägyptische Gott Seth verschiedene Male erfolglos, seinen Bruder und Rivalen Osiris zu töten. Als die Mordtat glückte, retteten Isis (Gattin des Osiris) und Anubis den bereits zerstückelten Leichnam, so dass Osiris Herrscher der Unterwelt werden konnte. Herkunft der Darstellung noch offen.

    Der sterbende und auferstehende Gott ist ein zentrales Motiv der Mysterienkulte. Es gehört zum Kern des Mythos, der dem jeweiligen Mysterienkult zugrunde liegt.


  • Der Mutterkult

    Sitzende Muttergöttin, zwischen zwei Löwinnen, aus Çatalhöyük (Türkei), Neusteinzeit (um 6000-5500 v. Chr.), Museum der Anatolischen Zivilisationen in Ankara.

    Der Mutterkult, d.h. die Verehrung der grossen Mutter oder Göttin, die oft als Nährende, Liebende und Verschlingende, bzw. als eine Opfer Fordernde auftreten kann und wie der sterbende Gott zum Kern des jeweiligen Mythos gehört


  • Die Wiedergeburt

    Orpheus geht auch in die Unterwelt und taucht wieder auf.
    Mosaik des Orpheus aus der Baderstrasse zu Mainz, spätantik (Foto: GDKE Rheinland-Pfalz, Direktion Landesarchäologie Mainz).

    Die Wiedergeburt und Unsterblichkeit, die mit der Geschichte des sterbenden Gottes verbunden ist und in welche die Teilnehmenden am Kultus eingeführt worden sind
Man hat versucht diese Kernmotive in ein System zu bringen, indem man den Mysteriengott als einen mit den Jahreszeiten sterbenden und auferstehenden Vegetationsgott (etwa Osiris, Dionysios, Dummuzi) erklärt hat oder indem man den ganzen Mythos mit dem ewigen Kreislauf der Natur verglichen hat (wie etwa bei Demeter und Persephone). Damit wäre ein Zusammenhang zwischen religionsgeschichtlichen Hintergründen und den Mysterien hergestellt, aber die eigentliche Bedeutung, die ein solcher Kult für die Teilnehmenden hatte, noch nicht geklärt.

Es gehört zur Individuation, nicht immer das zu tun, was alle anderen tun. Aber es gehört auch dazu in Gemeinschaft leben zu können.

Die Beschreibung des Individuationsprozesses in der analytischen Psychologie C. G. Jungs indessen kommt einem Aspekt der Mysterienkulte recht nahe. Mit der Beschreibung des Heros- und Mutterarchetyps, die in einer tiefen Dynamik zusammen stehen, gelingt es C. G. Jung einen interessanten Aspekt der Mysterienkulte zu beleuchten.

[ Er umschreibt mit dem Heros den Teil der Seele, der sich von seiner Herkunft emanzipieren muss, um sich selber zu werden (Individuation), und mit der grossen Mutter jenen Teil, der ursprünglicher, konstituierender und umfassender Teil der Seele ist. Das ist natürlich nur sehr knapp ausgeführt. Weitere Informationen zu C. G. Jungs Ansatz finden Sie auf dieser Seite unter psychologie. ]

Im allgemeinen kann aber eine allmähliche Öffnung verborgender Traditionen beobachtet werden. Während in alten Zeiten das Wissen an geheimen und von der Welt abgeschirmten Orten an Auserwählte weiter gegeben wurde,

Die Popularität der Mysterienkulte

Zur Zeit des Hellenismus und auch später im Römischen Reich genossen die Masterienkulte hohes Ansehen und zählten viele Anhänger. Der herkömmliche Ahnenkult reichte nicht mehr aus. Er erzählte zwar die Abstammung der Menschen von antiken Göttern nach und garantierte auch den Fortbestand dieses "verwandtschaftlichen" Verhältnisses. In den Mysterienkulten waren aber die verehrten Gottheiten nicht von Geburt an göttlich; sie hatten wie ein Mensch Schmerz und Tod erfahren und diesen dann überwunden. Da der verehrte Gott im Mythos nicht von Geburt an göttlich und unsterblich war, sondern wie ein Mensch Schmerz und Tod erfahren und schliesslich überwunden hat, konnte er den Menschen auch näher treten, als die Götter der alten Mythologien und Polisreligionen.

Opferszene (einer Polisreligion, halböffentlich), Holztafel, Pitsa c. 540-530 v. Chr.

Besonders aber konnte sich der Myste als Angehöriger eines Mysterienkultes in den Auferstehungsweg des Gottes im Kult und mittels Initiation begeben. Er konnte das Sterben und Auferstehen des Göttlichen in sich selbst erleben – und genau hier wird uns die Nähe und die Ferne der Mysterienkulten zum christlichen Kult bewusst. Beides muss auch Johannes bekannnt gewesen sein.
Man erkennt auch an dieser Entwicklung das wachsende Bewusstsein der Menschen für die eigene Person. Man verband sich mit einem Gott, der auch einen Weg durchgemacht hatte. Der Blick in die Herkunft und Abstammung richtet sich vermehrt auf die Gegenwart und den eigenen Weg. Ausserdem - und das wird besonders im nächsten Abschnitt deutlich - spüren wir schon hier Anklänge zum Leben, Sterben und zur Auferstehung Jesu Christi.

Der mystische Tod

Archäologische Befunde und Berichte von Zeitgenossen lassen Inhalte und Praktiken der Mysterienkulte trotz Geheimhaltung erahnen - wenn auch in unscharfen Konturen.

[ Wenn Sie sich für Berichte von Zeitgenossen, die sich über Mysterien geäussert haben, interessieren, finden Sie auf dieser Website unter berichte einge Beispiele.

Aus alledem lässt sich schliessen, dass die Mysten stufenweise in die Geheimnisse eingeführt wurden - und zwar unter persönlichem Einsatz. Es ging nicht um die kognitive Aneignung einer Lehre, sondern um das beschreiten eines eigenen Weges. Bei fast allen Mysterien spielte dabei der Abstieg in eine Grotte (Hypogäum) oder einen verdunkelten Raum eine zentrale Rolle. Die Mysten unterzogen sich selbst dem Geheimnis von Leben und Tod.

Die Auferweckung des Lazarus (Joh 11, 17-44) beschreibt einen Man, der ziemlich sicher bei einer Einweihungsprozedur Schwierigkeiten hat und den Jesus retten muss - und wie es sich für Jesus gehört, gleich "vor aller Augen".
Die Auferweckung des Lazarus, (im Vordergrund hat sich Maria, die Schwester des Lazarus dankend gebeugt; neben dem auferweckten Lazarus, der wohl nach Tod und Verwesung riecht, hält sich ein Mann die Nase zu. Duccio die Buoninsegna.

Deutliche Anklänge zu diesem persönlichen Weg finden sich auch in der Bibel. So geht etwa der umherirrende Prophet Elia durch die Wüste, wünscht sich den Tod, wird vom Engel wieder ermutigt und begegnet Gott am Horeb (1. Kön 19). Auch Jona verbringt drei Tage und drei Nächte im Fisch. Bei völliger Dunkelheit und Isolation dem Tode nahe, wird plötzlich der Gegenwart Gottes gewahr und wird vom Fisch wieder an Land gespieen. Im Neuen Testament fallen Johannes der Täufer, der sich in der Wüste von Heuschrecken und Honig ernährt, und der verstorbene Lazarus auf. Bei Lazarus handelt es sich um jenen mystischen Tod, den Lazarus wieder drei Tage und drei Nächste lang ausgeharrt hatte und aus dem er offenbar nicht mehr zurück gekommen wäre. Und schliesslich finden wir bei Jesus Christus wieder dasselbe Motiv: Tod, Eingang in die Höhle und Auferstehung am dritten Tag.

Das Mysterium des Christentums

Die Auferstehung geschieht vor aller Augen. Darum war für das frühe Christentum die Augenzeugenschaft so wichtig. es handelt sich um das antike Mysterium von Leben und Tod, das sich in Christus vor aller Augen abgespeitl hat.
Die Aufersteung Christi, 1479, Giovanni Bellini (Giambellino).

Die Unterschiede zwischen dem Mysterium des Christus und den herkömmlichen Mysterienkulten sind allerdings gross: der Mysterienweg Christi spielt sich vor aller Augen ab und wird zu einer realen historischen Tatsache. Im Christentum wurden Mysterienweisheit und Kult vor aller Augen und für alle Menschen vollzogen und ergeben eine einfache und klare Botschaft: du brauchst dich nicht um die Lehre zu bemühen, es reicht, wenn du auf Jesus Christus vertraust und dich an ihn hältst. Die Idee der Nachfolge eines geistigen Wesens (des Auferstandenen) war geboren.

Die Mysterien und die Apokalypse

Die Wiedergeburt der Eingeweihten wurde als Leben „im Geiste“ bezeichnet, als ein Wahrnehmen der Welt aus der geistigen Perspektive. Der Eingeweihte hatte den in allen Dingen schlafenden Gott zum Leben erweckt. Es ist, als ob sich dieses Bewusstsein in späterer Zeit bei den sogenannten Wüstenvätern und ersten Mönchen fortsetzte, den Vertretern eines christlichen Lebens „im Geiste“, das dem Materiellen abgeschworen und sich einer erweiterten Wahrnehmung in der Abgeschiedenheit hingegeben hatte.
Die Wahrnehmung „im Geist" ist nicht rein christlich und ebensowenig nur auf dem Boden alter jüdischer Traditionen entstanden. Sie ist vielmehr kultureller Bestandteil der Antike überhaupt, und damit auch der Apokalypse.

Ein paar Jahrunderte später durchreist Dante wie ein Eingeweihter Himmel und Hölle, um zu der vergöttlichten Beatrice zu gelangen.
Dante, 1565, Fresko im Dom von Florenz von Domenico di Michelino.

Das zeigt sich besonders deutlich im grossen Spannungsbogen, den die Apokalypse vor uns entwirft: wie andere Apokalypsen wird uns eine "Reise" in die Himmel beschrieben. Nach dem "einweihenden" Tod (Off 1,17) eröffnet sich für Johannes die geistige Wirklichkeit stufenweise. Zuerst wird geschildert, wie Johannes die Welt in einem neuen Lichte erfahrt und ihm die Zeitalter aus der Sicht Gottes gezeigt werden (die sieben Gemeinden, an welche die Sendschreiben gerichtet sind). Im Übergang zu den drei Himmeln strahlt ihn die Grösse Gottes vom Trohn an (die Trohnsaalvision). Dann wird er in die drei Himmel hinauf gehoben und sieht zum Schluss das Himmlische Jerusalem, in dem die Gegenwart Gottes ist (off 21,3f).
Die Motive, die uns Johanes erzählt, beschreiben den Weg des Eingeweihten.

Worin sich die Apokalypse von Mysterienkulten unterscheidet

Die Mysterien waren eine Art seelischer und religiöser Geheimschulen. Es ging um Leben und Tod, um das Verhältnis von Mensch und Gott und um die Geheimnisse der geistigen Welt. Im Leben Jesu Christi haben sich dieser zuvor geheime und verborgene Inhalt und Kultus vor aller Augen abgespielt. Eine Art Veröffentlichung zuvor geschützter Tradition.

Das Jüngste Gericht wird die ganze Menschheit richten, nicht nur einzelne. Ein wesentlicher Unterschied zwischen apokalyptischer Literatur und Mysterienweisheiten.
Jüngstes Gericht, um 1435, Stefan Lochner, Wallraf-Richartz-Museum, Käln, Deutschland.

Die Verbreitung zuvor unterschiedlich geschützter Traditionen scheint sich in der Offenbarung des Johannes noch radikaler fort zu setzen. Da nämlich für den Christen Johannes an die Stelle der Einweihung der Glaube getreten war und da er die Erscheinung Gottes im Leben und Sterben Jesu als eine Öffnung zwischen Himmel und Erde verstand, als ein Aufreissen aller Geheimnisse, trat für ihn die Möglichkeit ein, Geheimnisvolles zu veröffentlichen. Geheimes war ja in Jesus Leben und Auferstehung bereits vor aller Augen offenbar geworden! Es scheint, als hätte Johannes dieses Wissen in seiner Offenbarung jedem Leser zur Verfügung gestellt.

Wir können daher folgende Unterschiede ausmachen:

  • Die Apokalypse ist keine geschlossene Lehre für Eingeweihte, sondern offen für alle, die sie lesen wollen, sie ist eine öffentliche Einweihungssschrift

  • Die Apokalypse richtet ihren Blick nicht auf die Vergöttlichung des einzelnen Menschen, sondern auf die ganze Menschheit

  • Die Apokalypse will nicht die erschaffung der Welt und die daran beteilgiten Wesenheiten (Gott, Engel) beschreiben, sondern ist zukunftsgerichtet. Damit hängt zusammen, dass Johannes keine Lehre verbreiten will, die das Dasein beschreibt, sondern einen Weckruf zum Handeln

  • Die Apokalypse ist darum auf den menschlichen Willen gerichtet, nicht auf den Verstand und das Gemüt


Notizen zu Mysterienkulten:

Die "halb-öffentlichen" Mysterien:

Triptolemos zwischen Demeter (links), die ihm Ähren reicht, und Persephone (rechts), die ihn segnet (Votivrelief aus Eleusis, ca. 440-430 v. Chr.)


Die Mysterien zu Eleusis
Die Mysterien von Samothrake


Die streng geschlossenen Mysterien:

Der Sänger Orpheus bezaubert die Tiere mit seiner Musik (darunter Adler, Pfau, Schlange, Schwan, Stier, Leoparden, Ziege, Hirsch, Hase, Löwe, Greif, u. a.).
Mosaik, 4 Jhrd. v. Chr., Philippopolis, Shahba Museum, Shahba, Syrien.

Die verschiedenen Dionysoskulte in Griechenland
Der Kult des Liber Pater in Rom und in Süditalien
Der Mithraskult aus Kleinasien
Der Kybele- und Attiskult aus Phrygien
Der Isis- und Osiriskult aus Ägypten
Der Orphische Kult aus Thrakien


Diesem jungen Mann wird der Rücken mit Kerben versehen. Sogenannte "Skarifikation des Rückens". Iatmul, Dorf Japanaut. Foto: H. Schlenker, 1973, Museum der Weltkulturen

Initiationsriten kommen den Mysterienkulten recht nahe. Lesen Sie unter journal-ethnologie.de ein Beispiel.

zurück wieder vornach oben