- Vermittler, Begleiter, Verführer

Renaissance

Viele Künstler der Renaissance entwickeln eigene Engelstypen, die sich signifikant unterscheiden, und lassen die Engel in neuen Bildmotiven auftreten: in der Verkündigung oder als Begleiter der Madonna mit Kind. Damit verschiebt sich auch ganz langsam der Fokus auf Ebene der Erzengel von Michael auf Gabriel und auf Ebene der himmlischen Heerscharen von den ernsthaften Dienern Gottes zu den lebensfrohen Putten, welche die Heiligen Szenen fortan wie ein lustiger Chor lebendiger Kinder umspielen.

Der Vorzug, der die Verkündigungsszene in dieser Zeit geniesst, mag darauf hindeuten, wie sehr sich das Interesse der Menschen verschoben hat. Von der Hoheit Gottes und dem drohenden Jüngsten Gericht verlagert es sich zum Menschen: Maria als Frau, der ein Engel die Gebrurt Jesu verkündet. Das Individuum rückt beinahe unbemerkt ins Zentrum der Interessen, noch ganz umfangen von christlichen und kirchlichen Vorgaben in seiner Beziehung zu Gott, die sich im Verkündiungsengel und dessen Botschaft ausdrückt.

Die Darstellung der Madonna mit Kind hingegen, welche Mutter Maria mit dem Jesusknaben als eine harmonische – und natürlich ebenso archaische – Einheit wiedergibt, verwandelt die himmlischen Heerscharen folgerichtig in kleine kindliche Engelchöre. Zur Seite des Heilandes als Knäblein passen die majestätischen Engel nicht mehr.

Während der Renaissance beginnt sich die Vermischung von Engeln, Musen, Tugenden und Allegorien vorzubereiten. Figuren aus der antiken Mythologie mischen sich immer mehr in das Bild der Engel. Amor, Hermes, die Musen, die Tugenden und philosophische Allegorien verändern das Engelbild. So lassen sich die viele kleinen Putten zwar einerseits aus dem Bildmotiv der Madonna mit dem Kinde erklären, wie auch andererseits auf Amor und die Amoretten der Antike als Vorlagen beziehen.
Die Rezeption der Göttin Nike bringt den weiblichen Engel hervor, die Wiederentdeckung der Nymphen inspiriert Künstler, Engel mit offenem Haar darzustellen, und die Beschäftigung mit den antiken Tugenden hinterlässt bei den Engeln vorbildhafte harmonische Gesten und Ausdrücke.