17. Jahrhundert
Das biblische Engelbild hat mit dem des Barock und der Volksfrömmigkeit immer weniger Gemeinsamkeiten. Im Barock löst sich der Engel teilweise von christlichen Vorbildern und wird als unschuldiges Wesen oder als schlicht überirdisches Wesen dargestellt. Die Künstler gehen allmählich von Begriffen und Metaphern aus, welche sie mit Engeln vermischen, und lösen sich von den biblischen Erzählungen. Künstler wie Caravaggio (1571-1610) spielen gekonnt mit diesen vieldeutigen Konnotationen der Engel.
Spätestens im Barock wird der Übergang vom hoheitsvollen Engel zum Engelchen und zur zierenden Putte mit der Anatomie eines Kleinkindes vollzogen. Die niedlichen Darstellungen der Engel als Putten widersprechen zwar der biblischen Überlieferung, aber lehnen an die Erzählung von Wesen an, die vor Gott spielen (die Weisheit in Sprüche 8, 22-36). Ausserdem lassen sie das Thema der Unschuld anklingen. Vielleicht mag auch der Ausspruch Jesu, dass Menschen wie Kinder werden sollen, um in den Himmel zu kommen (Mt 18, 3) und die Kindersegnung (Mt 19, 13-15) die Vorstellung von kindlichen Engeln beeinflusst haben. wenn nämlich Menschen wie Kinder werden sollen, um in das Himmelreich zu gelangen, und wenn den Kindern das Himmelreich gehört, dann können die Engel wohl auch als Kinder vorgestellt werden.
Als weiteren Faktor, der zur Darstellung der Engel als Putten geführt haben mag, ist bestimmt das neue Lebensgefühl jener Zeit. Nicht nur die Reformatoren haben sich vom mächtigen und bedrohlichenn Bild des Jüngesten Gerichtes distanziert. Auch die katholische Kirche streitet in der Gegenreformation weniger mit der bedrohlichen Szene, sondern überfüllt die Kirchen mit jenen fröhlichen pausbackigen Putten, die zwischen Stuck und Masswerk lachen – und wenn man sie hören könnte, wohl plauderten und kicherten.
Das Lebensgefühl ist ein anderes geworden. Vielleicht zeigen sich gerade in den Darstellungen der Putten auch erste feine Ansätze zur späteren Entdeckung der Kindheit und der modernen Pädagogik. Kindlichkeit rückt auf jeden Fall im Barock zumindest in der Kunst ins Blickfeld der Künstler und Betrachter.
Gleichzeitig mit der Aufklärung kommen auch neue Ansätze auf, welche Mystik und Rationalität miteinander zu verbinden suchen und die sich in kabbalistischen und alchemistischen Lehren wiederfinden. Hier tauchen Engel als Träger geistiger Wahrheiten oder als lebendiges „Energiefeld“ Gottes auf. Besonders in den Werken Robert Fludds und Jakob Böhmes oder auch in der „Chymischen Hochzeit“ des Christian Rosenkreutz nehmen Engel einen Platz ein.
Der Engel naht / Ausschnitt aus "La Agonía en el Jardín" (Die Agonie im Garten) / El Greco / 1590 / Toledo Museum of Art, Toledo, Ohio
Zwei Engel / Santa Cruz Mission / New Mexico / Bild des Fotografen Gleaves Whitney / http://www.gleaveswhitney.com/id12.html
Eros als Sieger / Michelangelo da Caravaggio / um 1602 / Gemäldegalerie, Staatliche Museen, Berlin
Jakobs Kampf mit dem Engel / Rembrandt Harmenszoon van Rijn / um 1659-60 / Gemäldegalerie der Staatlichen Museen, Berlin
Trauernder Engel / Ausschnitt aus dem Gemälde "Die Beweinung Christi" von Sir Anthonis Van Dyck / 1634-35 / Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen