Die äusseren Merkmale der Engel
In Berichten und auf Darstellungen treten Engel mit wiederkehrenden Merkmalen auf. Sicher lässt sich daraus eine Art geschichtliche Entwicklung ablesen. Will man aber die Berichte und Begegnungen zwischen Menschen und Engeln ernst nehmen, muss man diese Motive mindestens teilweise als irgendwie wahrgenommen und verschieden interpretiert annehmen. Oder als archetypische Bilder.
Vielleicht liesse sich sogar daraus eine Art Anatomie der Engel ablesen. Oder zumindest eine Anatomie archetypischer Urbilder.
Flügel
In den Anfängen der christlichen Kunst Mitte des 3. Jahrhunderts wurden Engel noch ohne Flügel, stattdessen mit Buchrolle oder Botenstab, und als Männer (zuweilen auch mit Bart) dargestellt. Ende des 4. Jahrhunderts gab es erste Darstellungen geflügelter Engel.
Die Flügel kennzeichnen den Engel als fliegendes Wesen, als Wesen, das sich zwischen Himmel und Erde bewegen kann (Bote) und das der Schwerkraft nicht gleich unterliegt wie der Mensch (Geistigkeit).
Aber es gibt noch zwei Merkmale der Flügel, die vielleicht von Bedeutung sind. Einerseits wachsen die Flügel auf Brusthöhe und weisen so auf das Herz hin. Andererseits werden die Flügel oft wie Strahlen eingesetzt, die sich hinter oder neben dem Engel schützend oder empfangend ausbreiten. Flügel können also die wohlgesinnte und weitherzige Haltung der Engel unterstreichen. Sie sind eine Art Ausstrahlung des Herzens.
Der Glorienschein
In der antiken Kunst war der Glorienschein ein Zeichen der Macht und wurde verschiedenen Gottheiten verliehen. Auch römische Kaiser sind teilweise auf ihren Münzen mit Glorienschein abgebildet. Ebenso wurden Sonnengötter wie etwa Mithras oft mit einem Strahlenschein um den Kopf abgebildet – offenbar als Symbol für das strahlende Licht der Sonne, die diese Götter sinnbildlich verkörperten. Im Zoroastrismus symbolisiert der Heiligenschein die heilige Flamme (oder das heilige Licht). Der Glorienschein wurde im Laufe der Zeit zum Zeichen eines höheren Wesens, eine Art Lichtschein um den Kopf oder ganzen Körper einer Person. Er wurde in der christlichen Kunst zum Symbol für Mächtige, Erleuchtete, Engel oder Heilige.
Ab dem 2. Jahrhundert wurde der Nimbus zuerst Jesus Christus, dann der Dreifaltigkeit und den Engeln, später Maria und letztlich den Heiligen verliehen. Dabei ist die Form des Kreuznimbus Christus vorbehalten.
Umgibt der Glorienschein die ganze Gestalt in Kreisform, so heisst er Aureole, in Mandelform Mandorla. Oft werden Christus und Maria so dargestellt. Hinter dem Haupt ist der Heiligenschein ein Nimbus.
Licht und Ausstrahlung
Eine Leucht- oder Lichterscheinung um den Kopf oder Körper von Gottheiten, geistigen Wesen oder besonderen Menschen wird aus allen Kulturen berichtet (siehe auch unter b. Der Glorienschein). Dazu gehören beispielsweise der im Altem Testament beschriebene brennende Dornbusch und das Taborlicht (Mt 17, 1-13; Mk 9, 1-13; Lk 9, 28-35) im Neuen Testament.
Licht wird natürlicherweise mit der Sonne und mit Feuer assoziert. Seine Immaterialität und Unfassbarkeit behält das Licht auch in physikalischem Sinne bis heute, da es gleichzeitig Teilchen- und Wellencharakter hat (Quantenphysik) und da es sich mit konstanter Lichtgeschwindigkeit fortbewegt und damit für sich selbst keine Zeit hat (Relativitätstheorie).
Im religiösen Kontext signalisiert Licht geistige Wirklichkeit. Das Licht bei Engeln (Erscheinung bei den Hirten auf dem Feld) vermittelt daher Gottes Gegenwart. Licht wird auch mit Kraft und Energie assoziert.
Weisses langes Gewand
Ähnlich dem Licht werden Engel oft in weisse Gewänder gekleidet beschrieben. Weiss bedeutet in vielen Kulturen Reinheit und Licht. Andererseits betont das weisse Gewand die überirdische Einfachheit der Engel: sie erscheinen schlicht und ohne menschlicher Zierrat, ohne eitles und stolzes Gehabe, einfach wie in ein Nachthemd gekleidet. Beispiele dafür finden sich in der Apokalypse des Johannes und bei Paulus.
„Und ich wandte mich um, zu sehen nach der Stimme, die mit mir redete. Und als ich mich umwandte sah ich sieben goldene Leuchter 13 und mitten unter die sieben Leuchtern einen, der war eines Menschen Sohne gleich, der war angetan mit einem langen Gewand und begürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel.
14 Sein Haupt aber und sein Haar war weiss wie weisse Wolle, wie der Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme“ Off 1, 12-14
Seliges Lächeln
Oft erscheinen die Engel mit einem Ausdruck seligen Lächelns, das nur bei Kreuzigungsszenen oder auch beim Jüngsten Gericht weicht. Das selige Lächeln drückt die Nähe der Engel zu Gott aus.
Es ist ferner die christliche Variante stoischer Lebenhaltung, die Idee von Harmonie und Ausgeglichenheit, die zur Grundhaltung der Engel gehört.
Eleganz und Majestät
Oft erscheinen die Engel in eine verklärte Noblesse getaucht. Das mag vielleicht auch eine menschliche Interpretation sein, die Idee vom entrückten Wesen einer anderen Welt, die sich in dessen königlicher und adeliger Art ausdrückt.
Lichtengel / der Engel verströmt Kraft aus dem Herzbereich in die Welt, ein anderes Bild für Flügel / gefunden auf der Website www.strahlen-des-lichts.de
Anbetende Engel / die Nimben der Engel werden sphärisch und dreidimensional vorgestellt / Detail aus dem Isenheimer Altar, zweite Schauseite / 1506 - 1515 / Matthias Gruenewald / Musée d'Unterlinden, Colmar
Der Engel erscheint Josef im Traum / er erhellt das Dunkel der Nacht / Ausschnitt aus einem Gemälde von Rembrandt / 1645 / Gemäldegalerie der Staatlichen Museen, Berlin
Ein Engel reicht die Kirche an den Bischof Ecclesius / er ist in ein langes weisses Gewand gekleidet / 547 / San Vitale, Ravenna