Mittelalterliche Hierarchien
Dionysios Areopagita
in seinem Werk "De Coelesti Hierarchia" (n. 500) führt der Areopagite gemäss neuplatonischem System eine Gliederung nach drei Sphären ein:
1. Sphäre: 1. Seraphim, 2. Cherubim, 3. Throne (Thronoi)
Seraphim sind vier- bzw. sechsflügelige Symbole des Lichts, der Glut des göttlichen Feuers (Ez. 1,5 f; Jes 6,1 ff) und stehen Gott am nächsten.
Cherubim sind Verbreiter der Erkenntnis, Ergiesser der Weisheit, Beschützer des Gartens Eden (Gen 3,24), werden beim Bau der Stiftshütte (Ex 25,18 ff) sowie beim Bau des Tempels Salomo (1Kön 6,23 ff) u.a. erwähnt.
Thronoi (griechisch in etwa: „erhabene Gestalten“) sind die unterste Stufe der 1. Triade und bezeichnen das Erhabene. Die Septuaginta gebraucht den Begriff auch für die Seraphim, Paulus spricht im Kolosserbrief von Thronen (Kol 1,16).
2. Sphäre: 4. Herrschaften (Kyriotetes), 5. Mächte (Dynameis), 6. Gewalten (Elohim)
Herrschaften (Dominationes) sind Beherrscher der Engel. Die Herrschaften haben die Aufgabe, die Pflichten unterer Engel zu bestimmen und unterstehen Gott oder den höheren Engeln. (Kol 1,16; Eph 1,21)
Mächte (Virtutes) vollziehen unerschütterlich den Willen Gottes (Kol 1,16; Eph 1,21). Die Mächte sind die Überbringer des Gewissens und Bewahrer der Geschichte.
Gewalten (Potestates) verkörpern die unzerstörbare Harmonie (Kol 1,16; Eph 1,21)
3. Sphäre: 7. Fürsten / Tugendkräfte (Archai), 8. Erzengel (Archangeloi), 9. Engel (Angeloi).
Fürsten (Principatus) verkörpern den himmlischen Führungscharakter.
Erzengel (göttliche Kohorte) fungieren vor allem als Verkünder göttlicher Offenbarung. Neben Gabriel, Michael und Raphael taucht Uriel nur in der Moses-Apokalypse auf. Jakob kämpft mit Penuël (Gottesgesicht) in Gen 32,31.
Engel stehen auf der untersten Kategorie und stehen den Menschen am nächsten. Sie haben unterschiedliche Bezeichnungen wie „Schar“ (Ijob 19,12 und Ps 103,21), „Erscheinung“ (Dan 10,7) oder „Geist“ (Offb 1,4). Die Engel der 9. Ordnung sind die am allgemein bekanntesten, da sie oftmals als Boten fungieren oder mit sonstigen menschlichen Angelegenheiten zu tun haben.
Gregor der Grosse (6. Jh.):
1. Seraphim, 2. Cherubim, 3. Throne, 4. Herrschaften, 5. Fürsten, 6. Gewalten, 7. Tugenden, 8. Erzengel, 9. Engel
Dionysius' Engelshierarchie wurde unter anderem von Gregor dem Grossen adaptiert und leicht abgewandelt. Die Ausdifferenzierungen der Hierarchie, wie sie Gregor vorstellte, war vor allem in der volkssprachlichen Literatur des Mittelalters von grosser Bedeutung.
Isidor von Sevilla (Etymologiae) (7. Jh.):
1. Seraphim, 2. Cherubim, 3. Gewalten, 4. Fürsten, 5. Tugenden, 6. Herrschaften, 7. Throne, 8. Erzengel, 9. Engel.
Johannes Damascenus (De Fide Orthodoxa) (8. Jh.):
1. Seraphim, 2. Cherubim, 3. Throne, 4. Herrschaften, 5. Gewalten, 6. Herrschaften / Tugenden, 7. Fürsten, 8. Erzengel, 9. Engel
Thomas von Aquin (Summa Theologica) (13. Jh.):
Dionysios Areopagita folgend teilte auch Thomas von Aquin die Engel in drei Hierarchien mit jeweils drei Chören ein:
1. Seraphim, Cherubim, Throne
In der ersten Hierarchie - beauftragt mit dem Dienst am Throne Gottes - sind die “Seraphim” als die höchsten Engel, die “Cherubim” und die “Throne”. Seraphim sind der Widerschein höchster Gottesliebe und beten Gott ununterbrochen an; Cherubim bilden den Abglanz der göttlichen Weisheit; Throne sind ein Aufleuchten der göttlichen Majestät.
2. Herrschaften, Tugenden, Gewalten
In der zweiten Hierarchie wird die Herrschaft Gottes im Universum verwaltet durch die “Herrschaften”, die “Gewalten” und die “Fürsten”. Die Chöre der zweiten Hierarchie vergleicht Thomas mit den mittelalterlichen Fürsten, die die Länder eines Königs verwalten; diese drei Chöre sind Verwalter im Auftrag Gottes.
3. Fürsten, Erzengel, Engel
In der dritten Hierarchie, die für den Dienst am Menschen zuständig ist, finden sich die “Mächte”, die “Erzengel” und die “Engel”.
Hildegard von Bingen
Die visionsbegabte Äbtissin ging ebenfalls von neun Chören und drei Gruppierungen aus, teilte aber der ersten Gruppe nur zwei, der zweiten fünf und der dritten wieder zwei Chöre zu. In diesem Schema 2 - 5 - 2 bildet die äußere Reihe einen Kranz um den mittleren Fünfer-Kranz. Die beiden äusseren Gruppen stehen im Dienst des Leibes und im Dienst der Seele, die mittleren fünf Chöre stehen für die fünf Sinne.
Dante Alighieri (Divina Comedia) (14. Jh.):
1. Seraphim, 2. Cherubim, 3. Throne, 4. Herrschaften, 5. Tugenden, 6. Gewalten, 7. Erzengel, 8. Fürsten, 9. Engel
Ein Seraphim (griechisch: ΣΕΡΑΦΗΜ) mit sechs Flügeln / Meister von Cefalù / Ausschnitt aus dem Kuppelmosaik in der Apsis der Kathedrale von Cefalù / 1150 / Cefalù
Ein Cherubim (griechisch:ΧΕΡΥΒΗΜ) mit sechs Flügeln und Augenreihen / Meister von Cefalù / Ausschnitt aus dem Kuppelmosaik in der Apsis der Kathedrale von Cefalù / 1150 / Cefalù
Szene aus dem leben des Heiligen Franziskus / der Seraphim, von dem Franziskus die Stigmata (Wundmale Christi) erhält, erscheint selbst als Gekreuzigter / Fresko in der Bardi Kapelle / 1325 / Santa Croce, Florence
Hl. Erzengel Michael / Ausschnitt aus dem linken Altarflügel / Prämonstranserstift Altenberg / um 1330 / Städtisches Kunstmuseum, Frankfurt
Jungfrau Maria mit elf Engeln / Ausschnitt aus dem rechten Flügel des Wilton-Diptychons / Meister des Wilton-Diptychons / Tempera auf Holz / um 1395 / National Gallery, London