Weltuntergang
        die   Offenbarung  des   Johannes

Übersicht

Auf dieser Seite wird der Frage nachgegangen, ob Angst, welche die Offenbarung durch die Jahrhunderte geschürt hat, auch ihr ursprünglicher Antrieb gewesen ist.




Angst?

Wie eine Schreckensmeldung hallt die Offenbarung des Johannes durch die Jahrhunderte. Ihre verwirrenden Visionen riefen unermüdlich neue Propheten und Moralapostel auf den Plan, die den Weltuntergang zu ihren Gunsten zu deuten vermochten und anders Glaubenden ein beängstigendes Ende attestierten.
Das abendländische Mittelalter war erfüllt von einem Schauder, der von der Offenbarung ausging und der schliesslich unerträglich geworden und vielfach missbraucht, die Neuzeit forderte.
Allerdings löste der apokalyptische Schauder nicht nur negative und lähmende, sondern ebenso positive kulturbildende Impulse aus. Der Bau der mächtigen Kathedralen, die phantastischen Bilder des jüngsten Gerichtes, die monumentalen philosophischen Systeme von Augustinus bis in die Scholastik sind nicht ohne den Antrieb der Apokalypse zu verstehen.

Sicher ist jedoch: Angst gehört in die Wirkungsgeschichte der Offenbarung. Einen vertieften Blick in diese Wirkungsgeschichte werfen wir auf dieser Website unter dem Punkt auswirkungen.
Ob aber die menschliche Grundangst bei der Verfassung der Apokalypse Pate gestanden hat, ist mehr als zweifelhaft. Die Grundangst richtet sich zuerst auf konkrete Situationen der Bedrohung und Überfoderung und in einem zweiten Schritt auf die Vermeidung weiterer Bedrohungen oder Überforderungen. Obwohl dem Verfasser der Apokalypse psychologisierende Diagnosen gestellt werden und ihn als psychisch krankhaft bezeichnen (diesen Aspekt finden Sie unter psychologie näher beleuchtet), kann nicht ernsthaft von einer Grundangst ausgegangen werden, um ein Werk wie die Apokalypse des Johannes zu erklären.

Blick in die Gegenwart der Apokalypsen

Den Grund apokalyptischer Gesinnung sucht die allgemeine Bibelforschung in folgenden zwei Feldern: im grossen Schatz prophetischen Denkens und Sprechens im Alten Testament; und im Bedarf des israelitischen Volkes, seine Geschichte zu verstehen und zu bewältigen. Während das erste Feld in die Traditionsgeschichte führt, weist das zweite auf die Erfahrungen hin, welche das erwählte Volk mit seiner Geschichte gemacht hat, nämlich Verunsicherung und Angst.
In beiden Feldern sind wichtige Beobachtungen möglich und viele Aspekte der Apokalyptik aufklärbar. Wir wollen aber noch ein weiteres Feld in Betracht ziehen, nämlich das einer tatsächlichen Schau geistiger Wirklichkeit.

Blick in die Gegenwart der Apokalypsen

Das Aufkommen apokalyptischer Literatur wird von den schmerzlichen Erfahrungen des Judentums begleitet, das unter Fremdherrschaft und Fremdbestimmung seinen Glauben in Frage gestellt sah. Mehrmals konnten die bedrohlichen Verhältnisse mit politischen Gegenmassnahmen abgewendet werden.

[ So wandte sich etwa der Aufstand der Makkabäer gegen die Seleukidenherrschaft nicht zuletzt auch gegen die drohende Hellenisierung der jüdischen Kultur (um 164 v. Chr; zum Hellenismus als Einfluss auf die Apokalypse siehe auf dieser Webstie unter hellenismus), die wechselvolle jüdische Politik unter dem römischen Reich versuchte die brüchig gewordene Selbständigkeit zu wahren (ab 65. v. Chr) und die drei Aufstände gegen das römische Reich, zu dessen Ausgang (135 n. Chr.) das Judentum in kleine Diasporazellen aufgerieben war, sollte die staatliche und religiöse Unterdrückung des erwählten Volkes abwenden. ]

Daneben leistet die jüdische Geschichtsschreibung, zu der auch die apokalyptischen Schriften gehören, einen wesentlichen Beitrag zur Traditionsbewahrung. In ihr werden die schmerzlichen Erfahrungen reflektiert und in Zusammenhang mit dem Bund gebracht, der zwischen dem einen Gott und seinem Volk einst geschlossen wurde. Dieses Aufrechterhalten der Beziehung zu Gott ist es schliesslich, welches die Geschichtsschreibung im Grunde antreibt. Angst, Lob, Dank, Verunsicherung, Hoffnung und Klage – die ganze Fülle von Gestimmtheiten und Gedanken im Alten Testament resultieren aus der gegenseitigen Verpflichtung von Gottesvolk und seinem Gott und sind nicht seine Ursache, wie es in der folgenden Passage vertreten wird:

„Apokalyptik entsteht immer als Theologie der Angst, als Versuch, mit den Erfahrungen von Ohnmacht und Furcht angesichts einer bedrohten Welt, einer bedrohten Menschheit umzugehen. Endlichkeit, Ohnmachtserfahrung wird vom Menschen als Individuum wie als Gemeinschaft übermächtig erlebt; Zukunft ist nicht hoffnungsträchtig, sondern in ihrer Gesamtheit gefährdet. Nur ein Eingreifen von Aussen, von Gott her, kann noch Hilfe, Rettung bringen.“
(Joachim Müller, Balgach)

Demgegenüber halten wir fest: Die Angst entsteht gerade eben erst aus der in Frage gestellten Beziehung zu Gott.
Jüdische Apokalyptik will weder trösten noch Angst bewältigen, sondern versucht seinen in der Geschichte wirkenden Gott zu erkennen.

Identität und Zusicherung

Die Beziehung zwischen dem einen Gott und seinem Volk steht in Zentrum und am Ausgangspunkt jüdischer Geschichtsschreibung im Alten Testament.
Die grosse Leistung, die sich dabei schriftlich niederschlägt, ist die gleichzeitige Suche und das Festhalten an der Identität Gottes und seiner Zusage an sein Volk.

Zum Verständnis von Apokalypsen hilft es also wenig, von Angst als ihrem Anstoss auszugehen. Als Ursache kommt einzig das Ringen um Erkenntnis in Frage, und in diesem Fall ist es die Erkenntnis des einen zuverlässigen Gottes im Wechsel der Zeit. Dieser Ausgangspunkt darf auch für die Apokalypse des Johannes angenommen werden.


Notizen zu Angst und zum Antrieb der Apokalyptik:

Angst ist ein Grundgefühl, welches sich in Situationen der Bedrohung und Überforderung einstellt.
Mehr zu Angst allgemein finden Sie hier.
[ Eine Arbeit zur Angst in der Psychoanalyse Sigmund Freuds finden Sie hier.
Einen Überblick zum Thema Angst finden Sie hier. ]

Der Schrei, Edvard Munch, 1893, Nationalgalerie Oslo



Ein wichtiger Ausgangspunkt für apokalyptische Schriften ist die jüdische Geschichtstheologie, deren Zentrum die Beziehung des Gottesvolkes zu seinem Gott ist.

Hebräisches Buch, Irak, erste Hälfte 11. Jrhd.



Der eine Gott, war, ist und wird derselbe sein; seine Zusage hält er durch alle Krisen und Ängste hindurch aufrecht. Diese Eigenschaft des einen Gottes drückt sich auch in seinem Namen JHWH (hebr. יהוה - "Ich bin, der ich bin", vgl. Ex, 3, 14) aus.
(Mehr dazu findet sich unter "judentum".)
Daher versuchte das Judentum seinen einen Gott in den vielen gesch. Situationen, in denen es sich befand, immer wieder zu erkennen.

JHWH-Inschrift an der Kirche im Dorf Welhen, D




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