Weltuntergang
        die   Offenbarung  des   Johannes

Kapitel 1, Vers 1 - 8

Die eröffnende Textpassage von Vers 1-8 umfasst ein Vorwort und ein Grusswort. In diesem Teil werden besonders der briefliche und der liturgische Charakter der Apokalypse deutlich. Praktisch alle theologischen Inhalte, die im Vorwort und im Grusswort ausgesprochen werden, treten am Ende der Apokalypse wieder auf. Wir können daher von einem literarischen Rahmen sprechen.

Das Vorwort
Literarische Werke der Antike beginnen gewöhnlich mit kurzen Angaben zum Verfasser und zum Inhalt, manchmal in der Art einer erweiterten Überschrift oder seltener wie hier am Anfang der Apokalypse als richtiges kleines Vorwort.
[ Ähnliche Eingangsworte begegnen in den ausserkanonischen Werken des 2. Jahrhunderts wie der Didache, dem koptischen Thomasevangelium und dem Johannesapokryphon. Innerhalb der Bibel ist die knappe und klare Einleitung der Apokalypse allerdings einzigartig. Die Eröffnungen bei Hos 1, 1; Am 1, 1 und Jes 1, 1 sind kaum vergleichbar und diejenige in Lk 1, 1-4 ist eher als Widmung zu verstehen. ]

Kapitel 1

Vorwort

1 Dies ist die Offenbarung Jesu Christi, die ihm Gott gegeben hat, um seinen Knechten zu zeigen, was in Kürze geschehen soll;
und er hat sie durch seinen Engel seinem Knecht Johannes gezeigt,








2 der das Wort Gottes und das Zeugnis von Jesus Christus bezeugt hat: alles, was er geschaut hat.








3 Selig ist, wer da liest, und die, welche die Worte der Weissagung hören und bewahren, was darin geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe.
(Offenbarung 22.10)

Johannes auf Patmos, Hieronymus Bosch (um 1450 - 1516), Gemäldegalerie Berlin.

Kapitel 1

Vorwort

Im ersten Vers erfahren wir die Herkunft der Offenbarung. Sie ist alles andere als die "Offenbarung des Johannes", sondern wird vielmehr von Gott an Jesus Christus und von diesem durch Engel an Johannes weiter gegeben. Die Welt des Geistigen ist eine dreistufige. Johannes steht auf der gleichen Stufe wie die Gemeinden (Knecht), während über ihnen Engel, Jesus Christus und Gott walten.
Auffällig ist, dass sich Johannes weder als Prohpet noch nach einem kirchlichen Amt bezeichnet, sondern sich ausdrücklich zusammen mit den Gemeinden, an die erschreibt, als Knecht in eine Reihe stellt. Seine Offenbarung ist denn auch keine geheime, sondern eine öffentliche, die an seinesgleichen weiter gegeben werden soll.
Zeitfrage …?

Vers 2 spricht von Zeugnis, einem der theologischen Leitmotive der Offenbarung, das aus dem antiken Rechtsleben stammt. Zeugnis ist die verbindliche Aussage, die jemand vor Gericht über das abgibt, was er gesehen und gehört hat. Das Zeugnis Jesu Christi, den Johannes in Vers 5 als den treuen Zeuge bezeichnet, sind sein Leben, Wirken und Sterben für die Sache Gottes. Das Zeugnis des Johannes selbst ist die aufrichtige Wiedergabe der geoffenbarten Worte zu einer Zeit, in welcher das Christentum noch verfolgt wird.


Vers 3 wendet sich den Empfängern zu und leitet sie an, das Buch in der richtigen Weise zu verstehen, nämlich im lesen, Hören und Bewahren. Die Anleitung formuliert Johannes als Seligpreisungen. In der Apokalypse gibt es ingsesant 7 Seligpreisungen.
Zeitfrage …?

Notizen und Links:




In der Dreiteilung der himmlischen Welt, die sich für Johannes neben der unsrigen öffnet, klingt bereits der Aufbau der Apokalypse als Ganzes an. Mehr darüber …








Der Begriff "Zeugnis - Marthyrium" war zur Zeit des Johannes ein theologisches Leitmotiv des Christentums. In ihm zeigte sich der wahre Glaube und die Nachfolge Christi bis zum Äussersten. Mehr darüber …


Die 7 Seligpreisungen der Apokalypse sind an folgenden Stellen zu finden: 14, 13; 16, 15; 19, 9; 20, 6; 22, 7 und 22, 14. Hier befindet sich ein synoptischer Vergleich dieser Stellen. Mehr zum Thema der Siebnerzahl befindet sich hier.

Das Grusswort
Nach dem kurzen Vorwort richtet sich Johannes seinen Empfängern zu: sieben Gemeinden im Gebiet, das von Paulus missioniert wurde. Nach dem Vorbilde von Paulus mag denn auch Johannes eine briefliche Eröffnung gewählt haben, in der er mit dem Absender und dem Empfänger beginnt und dann den Gruss (4b: Gnade sei …) anschliest. Wie bei Paulus in Gal 1, 5 folgt allerdings kein Dank, sondern ein Lobpreis, der einer kleinen Doxologie gleichkommt.
Auf den erweiterten Gruss und den Lobpreis folgen ein prohpetisches Wort, welches das Kommen Christi ankündigkt, und ein Gottesspruch in direkter Rede.

Gruss an die sieben Gemeinden

4 Johannes den sieben Gemeinden in Asien: Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die da sind vor seinem Stuhl,
(2. Mose 3.14-15) (Offenbarung 3.1) (Offenbarung 5.6)

5 und von Jesu Christo, welcher ist der treue Zeuge und Erstgeborene von den Toten und der Fürst der Könige auf Erden! Der uns geliebt hat und gewaschen von den Sünden mit seinem Blut
(Offenbarung 3.14) (Johannes 18.37) (1. Timotheus 6.13) (Kolosser 1.18)

6 und hat uns zu Königen und Priestern gemacht vor Gott und seinem Vater, dem sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
(Offenbarung 5.10) (1. Petrus 2.5) (1. Petrus 2.9) (2. Mose 19.6)

7 Siehe, er kommt mit den Wolken, und es werden ihn sehen alle Augen und die ihn zerstochen haben; und werden heulen alle Geschlechter auf der Erde. Ja, amen.
(Matthäus 24.30) (Sacharja 12.10) (Johannes 19.37) (Daniel 7, 13)

8 Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, spricht Gott der HERR, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige.
(Jesaja 41.4) (Jesaja 44, 6) (Offenbarung 4.8) (Offenbarung 21.6)


Gruss an die sieben Gemeinden

Johannes grüsst die sieben Gemeinden mit der üblichen griechischen Grussformel ("Gnade sei mit euch!") und mit dem jüdischen Friedensgruss (hebr. שלם - schalom). Der Friede kommt von Gott, der hier ganz in Anlehnung an den hebräischen Gottesnamen JHWH (hebr. יהוה - "Ich bin, der ich bin", vgl. Ex, 3, 14) als der durch alle Zeit mit sich selbst Eine benannt wird - in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Mit den sieben Geistern vor dem Throne Gottes meint Johannes die Thronengel, die nach jüdischer Auffassung vor Gott sind, ihm dienen und seine Werke und Befehle ausführen. Sie begegnen in Tob 12,15 und in äth. Hen 20, 1.

Auch Christus wird in dreifacher zeitlicher Weise beschrieben, nämlich als der "treue Zeuge", dessen Zeugnis vor der Welt schon geschehen ist, als der "Erstgeborene von den Toten", dessen Heilsgeschehen für die Gemeinden gegenwärtig wird, und als "Herrscher über die Könige" der Welt, als der er kommen wird und weit über die Gemeinden hinaus seinen Anspruch über die Welt haben wird.

In Vers 5b und 6 spricht Johannes in liturgischem Ton von der Heilstat Christi und von der Hoheit und Verantwortung derer, die im Heil sind. Hier stellt Johannes in knapper Form vor, was durch die Heilstat Christi jetzt schon Wirklichkeit geworden ist, während Vers 7 verkündet, was noch bevorsteht.

In Vers 8 schliesst das Grusswort mit einer direkten Gottesrede, die den Machtanspruch Gottes über alle Zeit ausspricht. Allerdings wird nicht Christus selbst, sondern Gott als Allherrscher (griech. παντοκρατρ - pantokrator) bezeichnet.

Notizen und Links:


Zum hebräischen Gottesnamen JHWH (hebr. יהוה) und seiner tieferen Bedeutung finden sich hier mehr Informationen.

Sieben Gemeinden und sieben Geister vor dem Thron Gottes: mehr zum Thema der Siebnerzahl befindet sich hier.

Im Zusammenhang mit der babylonischen Zeiteinteilung dürfen wir davon ausgehen, dass die sieben Engel Geister der Zeit sind, von denen jeder einer bestimmten Zeit und Epoche vorsteht. Mehr darüber …

Der briefliche Charakter
Der briefliche Charakter der Apokalypse wird aus dem Grusswort deutlich. Die ganze Schrift wird dadurch verankert und erhält einen Rahmen, den die Beziehung zwischen Absender und Adressaten bildet. Interessant dabei ist allerdings die Zurückhaltung des Johannes, der sich nicht etwa als Propheten bezeichnet, sondern genauso als Knecht Gottes (V 1) wie die Gemeinden, die er anschreibt (V1). Die Beziehung zwischen Absender und Empfänger ist also eine brüderliche und gleichgestellte.

Der liturgische Charakter
Die Christus bezeugenden (V 5a) und bekennenden (V5b-6) Aufzählungen im Grusswort sind eher formelartig gehalten und schliessen mit einem bekräftigenden Amen. Ihre literarische Form ist liturgisch geprägt. Im Gegensatz zum prophetischen Wort, welches den kommenden Gott verkündigt, drücken die Aufzählungen das bereits erfahrbare und vollendete Heilsgeschehen Jesu Christi aus, das in der "Kirche" (griech. ekklesia - εκκλησια, in V 1) gefeiert und nachvollzogen wird.

Der literarische Rahmen
Vorwort und Grusswort leiten die Apokalypse ein. Ihre Form und viele ihrer Inhalte tauchen im Buchschluss (22, 6-21) wieder auf, mit dem sie gemeinsam den Rahmen der Apokalypse bilden. Im Rahmen werden Zweck und Absicht des Buches geklärt, Jesus Christus als Urheber der Offenbarung dargestellt und die Empfänger zu angemessenem Umgang und zu umsichtiger Aufnahme des Buches angehalten (lesen, bewahren, nichts beifügen).
Auch die liturgische Sprache (Anruf, Zuspruch, Bekenntnis und Zeugnis, abschliessender Segen) treten sowohl im eröffnenden Vorwort und Grusswort als auch im abschliessenden Gruss auf.

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