Weltuntergang
        die   Offenbarung  des   Johannes

Übersicht

Auf dieser Seite erhalten Sie einen kurzen Überblick über die geschichtliche Entwicklung des Gedankenlebens. Die Apoaklypse ist gedanklich gestaltet und durchdrungen und besser mit dem Seitenblick auf antike Philosophie zu verstehen.

Nach einer Einleitung finden Sie Näheres zum Übergang vom Mythos zum Gedanken und zur Trennung von Leib und Seele.
zum Schluss finden Sie die Ergebnisse dieser Seite in drei Punkten zusammengefasst.

Philosophie

Im 7. Jahrhundert v. Chr. erwachte die griechische Philosophie und mit ihr der eigentliche Gedanke. In den Zeiten davor erklärten sich die Menschen ihre Herkunt und Natur im Mythos und in bildhaften Vorstellungen oder sie liessen sich die Zusammenhänge, in denen sie standen und den Weg, den sie vor sich hatten in rästelhaften und mythischen Bildern an den Orakeln (lat. oraculum - Götterspruch) weissagen. Das waren die Erkenntnisformen der Zeit vor der griechischen Philosophie.

Der Rundbau (Tholos) im Heiligtum der Athene zu Delphi. Weitere bedeutende antike Orakelstätten waren Ephyra, Olympia, Dodona, Klaros, Didyma und das Ammonium in der Oase Siwa. Auch die Orakel von Cumae (nähe Neapel) und ältere Orakel Ägyptens und des Orients sind bekannt. Die Etrusker brachten wohl den Brauch, für staatliche Belangen Götter zu brefagen, in die römische Kultur.

[ Das griechische Denken markiert daher einen Übergang in der Menscheits-geschichte. Das Gedankenleben schwang sich zu einem eigenständigen Wirken auf und weckte zunächst bei den sogenannten Vorsokratikern ein erstes gedankliches Durchdringen der Welt und schliesslich ein gedankliches Zurückführen derselben auf einen Urgrund. In Sokrates, Platon und Aristoteles hingegen fand sich zunehmend der Gedanke selbst in der Welt und als Urgrund der Welt wieder, während sich dann in den Stoikern, Epikureern und Skeptikern mehr die Unsicherheiten und Schwierigkeiten im Umgang mit dem erwachten Gedankenleben aussprechen.
Schliesslich tritt dann im Ausgang der griechischen Philosophie, im sogenannten Neuplatonismus, die Frage auf, ob das Gedankenleben der menschlichen Seele selbst nicht aus einer höheren, geistigen Wirlichkeit den Menschen befähigt, sich im Gedanken zu finden - oder moderner ausgedrückt: sich selbst bewusst zu werden? ]

Auf diesem Bild sind die meisten bedeutenden griechischen Philosophen, Wissenschaftler und Autoren sowie einige Nicht-Griechen vereint.
"Die Schule von Athen", Fresko von Raffael (1510), Stanza della Segnatura, Vatikan. Genauere erklärungen zu den einzelnen Darstellungen finden Sie hier unter 12koerbe.de.

Die griechische Philosophie selbst und das Erwachen des Gedankenlebens, das sich in ihr ereignet, kann natürlich niemals auf dieser Website dargestellt werden. Unter den Anmerkungen der rechten Spalte finden Sie einige weiterführende Hinweise. Im Folgenden soll kurz die Bedeutung der griechischen Philosophie im Zusammenhang mit der Offenbarung des Johannes dargestellt werden.

Vom Mythos zum Gedanken

Der Übergang vom mythologisch-bildhaften zu einem gedanklichen Weltbild, der sich in der griechischen Philosophie vollzieht, steht natürlich in einem gewissen Widerspruch zu der Offenbarung des Johannes, die in bildgewaltigen Visionen Undenkbares und Überirisches zum Ausdruck bringt, so dass man meinen möchte, das griechische Bestreben nach rationalem Nachdenken sei bereits im Ausgang des ersten Jahrhunderts wieder ermüdet oder habe sich ausgelaufen und vielleicht neuen Moden Platz gemacht.

War Johannes einfach des denkens müde, als er seine Offenbarung schrieb?
Der Denker (franz. Le Penseur) zählt zu den Hauptwerken des Bildhauers Auguste Rodin und entstand 1880 bis 1882. Das Original ist im Besitz des Musée Rodin in Paris, eine Kopie steht am Grab des Künstlers in Meudon. Die Plastik hat eine Höhe von 72 cm, besteht aus Bronze, und wurde fein patiniert und poliert. Dieses Beispiel steht in Buenos Aires, Argentinien.

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber ein deutlicher Unterschied zwischen der - sagen wir - vorphilosophischen mythologischen Anschauung und der Offenbarung des Johannes; und dieser Unterschied ist nicht ohne das Auftreten der griechischen Philosophie zu verstehen. Denn das Wesentliche der griechischen Philosophie bestand darin, das Gedankenleben auszubilden. Damit schwand allmählich die Verbundenheit mit der Natur und den Naturvorgängen, wie sie alte Kulturen noch prägten, und es entstand das Selbstbewusstsein. Während sich ein Mensch der alten Zeit noch ganz im Schosse der Naturvorgänge und der Gottheiten fühlte, entdeckte die von der griechischen Philosophie berührte Menschheit den Zauber des eigenen Denkens und Forschens.

Das Denken und Forschen konfrontiert uns Menschen auch mit unser eigenen Person und deren Grenzen.
Fotografie von Bettina Flitner zur Ausstellung "Frauen die forschen" (23. Januar bis 27. März 2011), Frauenmuseum Wiesbaden, Deutschland.

[ Johannes verfasst seine Offenbarungen darum in einem anderen Bewusstsein als die Mythologien erzählt wurden. Seine mythologisch anmutenden Bilder sind keine Erzählunen, mit denen er sein Welt- und Selbstverständnis zum Ausdruck bringt, sondern Visionen, die ihm ein Führer duch die geistige Welt vermittelt und die ihn und die christlichen Gemeinden in ihrer Situation direkt ansprechen sollen.
Johannes schildert diese Visionen auch anders als etwa noch Ezechiel, der ja innerhalb der jüdischen Kultur bereits mit der Gegenüberstellung von Gott und Mensch vertraut war. In Ezechiels Vision erscheinen die vier Gestalten und das Wesen, das auf dem Trohn sitzt, noch als menschen-ähnlich. Wärhend die vier Gestalten in ihrer Dynamik eingehend beschrieben werden, gibt uns der Prophet vom "Menschanähnlichen" auf dem Trohn ein diffuses Bild.
Bei Johannes ist die Szene ruhiger. Die vier Gestalten treten fast bewegungslos auf und derjenige, der auf dem Trohn sitzt wird in klaren Konturen umschrieben, nämlich mit Edelsteinen verglichen, so dass auffällt, wie hier bereits eine gedankliche Durchdringung des Geschauten geschieht, die ausglättet, einteilt und die denjenigen auf dem Trohn als Eigenständige Gestalt zu isolieren vermag. Dieser Unterschied wird von der modernen Theologie stets als redaktionelle Arbeit bezeichnet. Wahrscheinlich dürfen wir aber annehmen, dass sich hier das erwachte Gedankenleben den Offenbarungen aus dem Geiste gegenüber gestellt hat.

Ezechiel empfängt eine Vision (hier die Vision der Totenauferstehung (Ez 37).
Sammlung der Predigten des Hl. Gregor von Nazianz, Szene: Vision des Ezechiel, Meister der Predigten des Heiligen Gregor von Nazianz, höfische Werkstatt von Konstaninopel (Auftraggeber: Kaiser Basilius I), um 800, Pergament, Bibliothèque nationale de France MS Grc 510, folio 438v, Paris.

Ferner markiert die erweiterte Dimension, in welcher die Offenbarung steht den Unterschied zwischen alttestamentlicher Weltgerichtsansage und der Apokalypse. Während im Alten Testament das Gericht über das Volk Israel ergeht, wird das Weltgericht bei Johannes die ganze Menschheit ergreifen. Die alte "Stammes-" und "Blut-"gemeinschaft wird aufgebrochen. Nachdem die Menschen das Denken entdeckt haben, wird klar, dass Gott zum Einzelnen nicht durch das Blut "unserer Väter" spricht und nicht nur ein Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs ist, sondern ein Gott, der die Menschen in ihrem Innern ergreift.

Trennung von Leib und Seele

Bilden wir in geistigen Gedanken die materielle Aussenwelt ab? Sind unsere Gadenken das Ergebnis materieller, chemischer Prozesse? Denken wir nur im Hirn? Ist die Aussenwelt nur Schein einer geistigen Wirklichkeit aus die sich eigentlich unsere Gedanken beziehen? Verwirrende Fragen rund um Leib und Seele.
René Descartes' Illustration des Dualismus: Reize werden von den Sinnesorganen weitergeleitet, erreichen die Epiphyse im Gehirn und wirken dort auf den immateriellen Geist ein.

Eine Trennung von Leib und Seele und von Welt und Gott war den alten Kulturen fremd. Diese Trennung taucht im Alten Testament erst spät auf. So ist die Seele ursprünglich eine während dem irdischen Leben an den Körper gebundene Lebenskraft ( נפש, näphäsch - Atem) und entwickelt sich erst in hellenistischer Zeit zu einer eigenständigen Wesenheit - unter dem Einfluss der griechischen Philosophie. Von dieser Zeit an stellt sich die Seele als unabhängiger Teil des Menschen, der nach dem Tod weiter lebt und der manchmal auch vor der Geburt exisiert, dar. Erst jetzt wird auch die Rede von Auferstehung - sei es eine leibliche oder rein geistige - möglich.
Diese Vorstellungen sind Voraussetzung für einige zentrale Aspekte der Offenbarung: das Leben nach dem Tod und die Auferstehung, sowie die Verantwortung der Menschen für ihre Taten am Ende der Zeit. Andererseits erscheinen bei Johannes die Gerechten, "die Seelen (psychás) derer, die geschlachtet worden waren" und hört sie mit lauter Stimme rufen. Hier wird die Vorstellung einer Wahrnehmungs- und Handlungsfähigkeit der Seelen, die nach der Vernichtung ihrer Körper weiterhin leben, vorausgesetzt.

Die Gerechten loben Gott, während sich schon die Engel mit den Schalen des Zorns bereiten (Off 15, 1-5)
Ausschnitt aus der Bamberger Apokalypse, ottonische Buchmalerei um 1000, Skriptorium Kloster Reichenau, Folio 038v.

Die griechische Philosophie und die Offenbarung

Zusammenfassend können wir als sagen: die griechische Philosophie braucht die Apokalypse des Johannes nicht direkt beeinflusst zu haben, um für deren Verständnis Wesentliches beizutragen. Das während der griechischen Philosophiegeschichte erwachende Gedankenleben dokuemtniert eine Entwicklung der Geschichte, in der auch Johannes steht. Die Gemeinsamkeiten lassen sich in folgenden drei Punkten zusammenfassen:

  • Das Gegenüber
    Im Unterschied zu alten Mythologien (grosse bildhafte Erzählungen über Welt- und Selbstverständnis) und älteren Prophezeihungen (Ezechiel) tritt Johannes den Visionen und den Übermittlern der Visionen als Gesprächspartner und als klarer denkender und gestaltender Geist gegenüber. Diese besondere gedankliche Leistung wird von der modernen Theologie oft als redaktionelle Überarbeitung verstanden.

  • Die Menscheit im Visier
    Im Unterschied zu älteren Prophezeihungen und Unheilsankündigungen bezieht sich die Apokalypse über die sieben christlichen Gemeinden Kleinasiens hinaus auf die ganze Menschheit. Das Gedankenleben ist etwas, was nicht mehr nur dem eigenen Volk oder dem eigenen Stamm angehört, sondern eine allgemein-menschliche Eigenschaft. Der Gedanke ist nicht an den Stamm, die Herkunft und das Blut gebunden, sondern ist Teil des Menschen überhaupt. Ein besonders typische Beispiel für dieses Bewusstsein geben die sokratischen Dialoge ab (die sokratische Methode appelliert an das in jedem Menschen schlummernde klare Denken).

  • Unterscheidung von Leib und Seele
    Im Gedankenleben ergreift sich der Mensch selbst. Er spürt den Gegensatz zwischen Innen- und Aussenwelt - und er nimmt zunehmend den Unterschied zwischen gedachtem (bewusstem) und natürlich angelegtem (unbewussten) Inneleben wahr. Erst duch diese Entwicklung wird die Rede von einem endlichen Gericht, in dem die Menschen zur Rechenschaft gezogen werden und als eigenständige seelische Einheiten auftreten überhaupt sinnvoll.


Notizen zur griechischen Philosophie:





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